Amiens, Mittwoch, 9. März 2022. Das Vincenner Winter-Meeting ist kaum Geschichte, da steht den einheimischen fünf- bis zehnjährigen Trabern die nächste üppige Verdienstmöglichkeit ins Haus. In Zusammenarbeit mit der Fachzeitschrift Paris-turf, die seit der Erstauflage 1982 dabei ist, und weiteren Sponsoren geht es zum 41. Mal beim Grand National du Trot auf 14 verschiedenen Rennbahnen (fast) „immer wieder Mittwochs“ mal rechts-, mal linksherum bis zum 23. November kreuz und quer durch die Fünfte Republik.
Beschlossen wird der GNT mit einem Finale für maximal 20 Teilnehmer, zu dem sämtliche Etappensieger sowie die restlichen Punktbesten zugelassen sind - am 4. Dezember in Vincennes. Das nächste Winter-Meeting wirft in Form dieser Clôture seine Schatten also schon ein wenig voraus.
Zum Auftakt war der Tross nicht zum ersten Mal in Amiens zu Gast, der 135.000 Einwohner zählenden Stadt rund 40 Kilometer von der Küste des Ärmelkanals entfernt. Zerschlagen hatte sich am Wochenende die Hoffnung der Veranstalter, auf dem für französische Usancen mit 1.100 Metern extrem kurzen (Rechts-)Kurs des Hippodrome de Petit Saint-Jean, das die Einheimischen gern auch mal vollmundig als kleines Vincennes der Picardie bezeichnen, mit Cleangame höchste Prominenz zu begrüßen: Jean-Michel Bazire hatte das trotz 50 Meter Zulage geplante Engagement des 1,7 Millionen Euro schweren Wallachs wegen Kolikanfällen canceln müssen.
So waren es 16 mehr oder weniger Namenlose, die bei strahlendem Sonnenschein und 13 Grad unter den Klängen der in Nordfrankreich bei wichtigeren sportlichen Veranstaltungen üblichen Blaskapelle die fast drei Runden in Angriff nahmen - je acht aus dem ersten wie zweiten Band. Aushängeschilder waren mit Crack Money und Deganawidah, der 2021 auf allen GNT-Stationen dabei gewesen war, der Erste und Zweite der 2021er Gesamtwertung. Prominenter war das Fahrerlager besetzt, aus dem unter anderem Raffin, Nivard und Gelormini den hautnahen Kontakt des wie immer in der Provinz überaus zahlreich erschienenen Publikums genießen wollten.
Das kürte Jean-Michel Baudouins mit erstklassigen Formen aus Vincennes gekommenen Falco d’Havaroche letztlich recht eindeutig zum Favoriten, der rechtsherum allerdings noch nie Bäume ausgerissen hatte. Bestes Resultat des First-de-Retz-Sohnes war ein Ehrenplatz auf dem viel weiteren Parcours von Argentan. Der Schwarzbraune schien allen Unkenrufen zum Trotz bestens aufgelegt, Gabriele Gelormini koppelte ihn konsequent an den durch Spur zwei rackernden Favori de l’Iton, ließ sich von diesem auf der letzten Überseite auch über Gleis drei ziehen, meisterte sämtliche Bögen perfekt - bis auf den letzten.
Im Scheitel desselben riss es ihn in vierter Spur aus dem Takt, womit der Weg endgültig frei war für Farah des Caux. Für die war es von September bis Dezember gleichfalls vorzüglich gelaufen im Temple du Trot: drei Siege, ein zweiter und dritter Platz aus fünf Versuchen hatten ordentlich Geld in die Kasse gespült. Trainer Alexis Garadeau dürfte über die folgenden beiden schwachen Auftritte nicht sonderlich böse gewesen sein: Mit 262.640 Euro durfte die Braune gerade noch von der Grundmarke los.
David Thomain ergatterte mit ihr nach 400 Metern die Spitze von Flamme Vive, ließ, als es das erste Mal am Zielschild vorbeiging, die mit Aplomb heran rauschende De la Chenevière vorbei und harrte hinter der Außenseiterin, die alle eher halbherzigen Versuche, ihr das Kommando abzujagen, lange ins Reich der Fabel verbannte, der Dinge, die da so kommen mochten. Als äußere Anführer versuchten sich erst Favori de l’Iton, dann Flaya Kalouma, dann Django du Bocage, doch bis Mitte der letzten Überseite widerstand De la Chenevière stur allen Versuchen, ihr das Zepter abzujagen.
Dort driftete sie in der Schlüsselszene um eine Spur nach außen - eine Offerte, die Thomain dankend annahm. Flink wie ein Wiesel flitzte Farah des Cuax durch, bevor sich die Tür wieder schloss, und offenbarte nach diesem Verlauf, in dem alles bis aufs letzte I-Tüpfelchen zu ihren Gunsten sprach, erstaunliche Reserven. Leichtfüßig verabschiedete sie sich auf 3½ Längen von der kämpfenden Meute, aus der Außenseiter Django du Bocage zäh wie Leder den Ehrenplatz eine Länge vor den ebenfalls am Totalisator eher wenig angefassten Eire d’Hélios und Calimero du Thiole behauptete. Nur Platz fünf blieb „Monsieur Quinté“ Eric Raffin mit Favori de l’Iton.
Für Farah des Caux, die mit ihrem 13. Treffer auf 303.140 Euro kletterte, war dies ebenso der bedeutendste Sieg in ihrer Karriere wie für ihren Trainer, der erstmals auf Gruppe-Niveau punkten konnte und im siebenten Himmel schwebte: „So etwas haben wir uns vor dem ‚Zug‘ nie und nimmer ausgerechnet, doch es lief wie im Traum für uns. Es freut mich ungemein für die Besitzer und mein gesamtes Team. Seit ich sie vor nunmehr 1½ Jahren übernommen habe, hat sich die Kleine Schritt für Schritt verbessert und speziell seit letztem Herbst einige erstaunliche Rennen gelaufen. Doch heute - das war die Krönung! Wir werden wohl am 13. April auf Etappe drei in Reims erneut präsent sein, obwohl sie dort 25 Meter Zulage wettmachen muss.“
1. Etappe des GNT
Prix Geny Courses (Gruppe III national, Fünf- bis Zehnjährige)
2900 Meter Bänderstart; 25 Meter Zulage ab 263.000, 50 Meter ab 442.000 Euro (unbesetzt); 90.000 Euro
1. Farah des Caux 2900 13,9 David Thomain 74
7j.br. Stute von Isigny de Montfort a.d. Ossiliana von Cèdre du Vivier
Be: Ec. En Avant Goudig; Zü: Maryvonne Jacqueline; Tr: Alexis Garandeau
2. Django du Bocage 2925 13,5 Pierre-Yves Verva 670
3. Eire d’Hélios 2925 13,5 Mathieu Mottier 220
4. Caliméro du Thiole 2900 14,2 Adrien Lamy 660
5. Favori de l’Iton 2900 14,2 Eric Raffin 49
6. Divine Monceau 2900 14,2 François Lagadeuc 140
7. Festif Charmant 2900 14,2 Cédric Terry 390
8. Flamme Vive 2900 14,3 Franck Nivard 110
9. De la Chenevière 2900 14,7 François Lecanu 370
10. Crack Money 2925 14,1 Jean-François Senet 1510
Deganawidah 2925 o.Z. Julien Travers 1330
Digne et Droit 2925 o.Z. Alain Rynwalt-Boulard 1650
Falco d’Havaroche 2900 dis.r. Gabriele Gelormini 29
Flaya Kalouma 2925 dis.r. Gabriel Angel Pou Pou 140
Emir de Rebomard 2925 dis.r. Arthur Rebèche 1960
Et Voilà de Muze 2925 dis.r. Franck Ouvrie 85
Sieg: 74; Richter: leicht 3½ - 1 - ½ - k.Kopf - Hals - ½ - Hals; 16 liefen
Wert: 40.500 - 22.500 - 12.600 - 7.200 - 4.500 - 1.800 - 900 Euro
Video: https://www.letrot.com/fr/replay-courses/2022-03-09/8002/1
Punkte nach Etappe 1 (Amiens):
Farah des Caux 15 (1 Sieg)
Django du Bocage 10
Eire d’Hélios 8
Caliméro du Thiole 6
Favori de l’Iton 5
Divine Monceau 4
Festif Charmant 3
Die Mehrzahl der heutigen Teilnehmer wird man auf Etappe 2 vermutlich nicht wiedersehen, denn dafür müssten sie quer durch Frankreich reisen: In drei Wochen, am 30. März, sind im rund 870 Straßen-Kilometer entfernten Salon-de-Provence, gleichfalls die „Droiteurs“ - Traber, die bevorzugt rechtsherum laufen - gefragt. Der Kurs des dortigen Hippodrome de la Crau ist mit 1.326 Meter etwas weitläufiger.