Vincennes, Donnerstag, 3. November 2022. Mit gewohntem Elan öffnete Vincennes nur fünf Tage nach Ende des Sommer-Herbst-Meetings seine Pforten zu jenem viel bekannteren des Winters, das sich bis zum 4. März hinziehen wird und mit mehr als 40 Millionen Euro an Rennpreisen lockt.
506.000 davon standen am Nachmittag zur Disposition, der um 13.50 Uhr mit der Quinté-Wette begann. Den Prix de Soulac um 65.000 Euro für einheimische ältere Semester, die keine 310.000 Euro verdient hatten, klinkte sich - Ehre, wem Ehre gebührt - der amtierende Champion ein: Mit Jean-Michel Baudouins bei 21:10 zum Favoriten gekürten Falco d’Havaroche wehrte Eric Raffin den langgezogenen Schlussangriff Fawley Buissonays, der mit Anthony Barrier die Nummer zwei am Toto war, um Haupteslänge ab und wiederholten damit seinen Einstand in den Pariser Winter von 2021/2022: Damals hatte Raffin diese Prüfung mit Evariste du Bourg beherrscht.
„Tempo, Tempo“ hieß es für die fünfjährigen Satteltraber, die auf dem Weg zum Prix de Cornulier, ihrem Höhepunkt des gesamten Rennjahres, den über 2.175 Meter führenden Prix Xavier de Saint Palais um 120.000 Euro vor der Brust hatten. Ohne ihre jüngste Bezwingerin Hanna des Molles, die ihr am 14. Oktober bei der Monté-Premiere knapp das Nachsehen gegeben hatte, flogen Happy and Lucky die Wetterherzen nur so zu. Die Braune aus dem Lot Franck Leblancs enttäuschte bei 16:10 - eröffnet hatte der Wettmarkt mit gerade mal zehn Prozent Rendite - ihre riesige Anhängerschar nicht.
Vor dem gültigen „Ab“, dem ein Fehlstart vorausgegangen war, präsentierte sie sich durchaus etwas gewöhnungsbedürftig und trieb ängstlichen Gemütern den Schweiß auf die Stirn, doch als es endlich los ging, war von Eskapaden nichts mehr zu sehen. Ganz eng eindrehend, lag sie hinter der von weit außen an die Spitze fliegenden Héliade du Goutier und Héros de Fleur perfekt, zumal es Eric Raffin mächtig kesseln ließ, was taktische Positionsgerangel praktisch ausschloss.
Kurz nach dem Gipfel, als Héros de Fleur bleischwere Beine bekam, dirigierte Adrien Lamy die Ready-Cash-Tochter in Spur zwei und tankte sich Schritt für Schritt an die Flanke der längst etwas ruhiger werdenden Héliade. Auf der Zielgeraden war Happy and Lucky, obwohl weit nach außen schrägend, rasch überlegene Ware und holte sich fünf Längen voraus ihre achte Siegerschleife, zugleich die vierte auf Gruppe-Niveau.
Mit 477.540 Euro rückte der 65.000-Euro-Jährling dicht an die halbe Million heran. Héliade du Goutier gab zwei Jahre nach ihrem einzigen Sattel-Auftritt eine durchaus verheißungsvolle Zweitauflage, wenngleich sie sich mächtig strecken musste, um Dauerläuferin Hytte du Terroir für den Ehrenplatz um einen „Kopf“ abzuwimmeln.
„Ganz so einfach, wie es von außen ausgesehen haben mag, war es nicht, denn meine Stute war etwas angespannt, und der Fehlstart machte es nicht besser. Zum Glück war richtig Tempo in der Partie, so dass sie in Deckung frei laufen konnte. Da sie prima durch die Kurven kommt, hab ich bereits im Schlussbogen die Vorentscheidung gesucht. Es hätte nicht mal des Ziehens der Klappen bedurft, dass sie Héliade du Goutier ganz leicht links liegen ließ."
"Klopf‘ auf Holz, aber wenn es so bleibt, bin ich in diesem Winter bestens gerüstet mit ihr und Intuition, zumal es mit den Prix Bilibili für die Fünf- und Prix Jag de Bellouet für die Vierjährigen zwei neugeschaffene Gruppe-I-Rennen für die Satteltraber gibt“, blickte Lamy erwartungsvoll in die Zukunft. Keineswegs unzufrieden war Raffin: „Héliade ist nicht unbedingt der geborene Monté-Traber, aber hinter der praktisch außer Konkurrenz laufenden Happy and Lucky war’s ein recht leicht verdienter Ehrenplatz.“
Prix Xavier de Saint Palais - Monté - (Gruppe II nat., fünfj. Hengste & Stuten)
2175m Bänderstart o.Z., 120.000 Euro
1. Happy and Lucky 11,5 Adrien Lamy 16
5j.br. Stute von Ready Cash a.d. Tosalima von Coktail Jet
Be: Daniel Josset (mit Franck Leblanc & Sébastien Dupont); Zü: Ec. Thomas Bernereau; Tr: Franck Leblanc
2. Héliade du Goutier 12,1 Eric Raffin 51
3. Hytte du Terroir 12,1 Alexandre Abrivard 210
4. Hugo du Bourg 12,3 Mathieu Mottier 52
5. Hermine Girl 12,4 Benjamin Rochard 550
6. Héros de Fleur 13,6 Yoann Lebourgeois 210
Holka du Lys dis.r. Julien Raffestin 530
Héra de Banville dis.r. Camille Levesque 160
Sieg: 16; Richter: überlegen 5 - Kopf - 3 - 1¼ - 10 Längen; 8 liefen
Zw-Zeiten: 06,3/675 - 09,4/1175m - 11,9/1675m
Wert: 54.000 - 30.000 - 16.800 - 9.600 - 6.000 - 2.400 (- 1.200) Euro
Video: https://www.letrot.com/fr/replay-courses/2022-11-03/7500/6
Mal wieder „JMB“
Interessanter war aus internationaler Sicht der Prix des Cevennes, eine Gruppe-III-Prüfung über 2.850 Meter für ältere Recken, von denen einige durchaus mit dem Prix d’Amérique 2023 liebäugeln dürften und in dem andererseits gestandene Monté-Cracks wie Chalimar de Guez, Granvillaise Bleue, die sehr wackelig begann, und Fado du Chêne nur ein wenig Beschäftigungstherapie vorm Sulky bekamen, um auf andere Gedanken zu kommen.
Vier Kandidaten stiegen für die Bazires ins Geschirr, von denen Jean-Michel, der diese Aufgabe 2019 mit Cleangame und 2020 mit Dorgos de Guez gelöst hatte, sich seines neuen Super-Wallachs Elie de Beaufour annahm und von den Wettern als 24:10-Favorit losgeschickt wurde. „Aufm Platz“ wurde der zu ihm gewechselte Zarenne Fas am zügigsten losgelassen, der das Kommando bis eingangs der Tribünengeraden hielt und es dann an Ce Bello Romain weiterreichte, der es Ende derselben an Dorgos de Guez abtrat.
Das ließ „Bazire père“ nicht ruhen. Bei konstanter Fahrt im unteren 1:14er Bereich krallte er sich zu Beginn des Anstiegs die Spitze und bekam am Gipfel und damit unerwartet früh Besuch von der aus dem Mittelfeld in Marsch gesetzten Ampia Mede SM. Die kleine Italienerin mit dem großen Kämpferherz, die im vorigen Herbst und Winter mit einer achtfachen Pariser Siegesserie sehr vernehmlich an die Tür zum Amérique 2022 gepocht und sie durch eine Galoppade im Prix Ténor de Baune wieder verschlossen hatte, strafte ihre letzten durchwachsenen Formen kräftig Lügen.
Bis zum Ende blieb sie ein hartnäckiger Quälgeist, der Elie de Beaufour zwar nicht alles abverlangte, ihn sich aber auch nicht früh in Sicherheit wiegen ließ. Heuer soll ihr der große, von ihrem Trainer Fabrice Souloy prognostizierte Wurf gelingen - nach diesem Akt alles andere denn ein Ding der Unmöglichkeit. Auch wenn Elie de Beaufour für seinen 31. Sieg - den 13. auf Gruppe-Niveau - mit einem sichtlich entspannten Jean-Michel Bazire nie wirklich in Gefahr kam und mit 970.900 Euro die runde Million dicht vor Augen hat, war Platz zwei in Anbetracht des Offensiv-Vortrags aller Ehren wert.
Gut heran sprintete Décoloration, die im Schlussbogen für Momente den Kontakt zu Ampia Mede SM verloren hatte, während zu Ce Bello Romain dann schon ein Loch von zwei Längen klaffte. Der ausnahmsweise mal streng auf Warten gesteuerte Fire Cracker explodierte mit dem fünften Scheck vor Augen 100 Meter vor der Linie.
Wenn es sich sein Herr und Meister nicht anders überlegt, hat sich Elie de Beaufour mangels passender Aufgaben als Wallach für 2022 mit diesem Sieg von den „turfistes“ verabschiedet: „Er darf sich nach acht Gruppe-Erfolgen ausruhen und wird im Frühjahr sein Comeback geben. Zuletzt in Bordeaux war er nicht richtig drin im Match und hatte seine liebe Mühe und Not mit den Bögen (da ging’s rechtsherum; Elie landete auf Platz vier/Anm.d.Red.)."
"Ich hätte nicht gedacht, dass ich so früh von Ampia Mede SM angegriffen würde, die sich verdammt gut präsentiert hat. Aber wirklich in Gefahr sind wir nicht geraten“, griente Bazire senior, für den das Meeting nicht besser hätte beginnen können: Er punktete zudem noch mit Gigolo Lover und steuerte Jackman und Kassius Berry auf den Ehrenplatz.
„Im letzten Bogen dachte ich sogar, ich könne diese Partie gewinnen“, gab Franck Nivard zu, „es hat jedoch gegen einen bärenstarken Elie nicht ganz gereicht. Ampia hat sich dennoch prächtig verkauft, trotz der harten Endphase nicht den Ansatz eines Fehlers gezeigt. Sie wird nun vermutlich die ‚B‘-Rennen in Angriff nehmen“, kommentierte Franck Nivard, der eigentlich gesperrt und nur für Gruppe-Rennen freigestellt ist.
Gabriele Gelormini dagegen haderte mit dem Renngott: „Schade, dass Décoloration in der letzten Biege in idealer Lage den Anschluss an Elie und Ampia verloren hat. Sie war die beste Finisherin.“ Der am Ende deutlich abfallende Dorgos de Guez wird Frankreich für eine kurze Stippvisite nach Wolvega verlassen und dort am 18. November den Prijs der Giganten in Angriff nehmen.
Prix des Cévennes (Gruppe III int., Sechs- bis Zehnjähr., keine 1.200.000 Euro)
2850m Bänderstart o.Z., 90.000 Euro
1. Elie de Beaufour 13,2 Jean-Michel Bazire 24
8j.br. Wallach von Royal Dream a.d. Pignata von Capriccio
Be: Eric Levallois; Zü: Ec. Cheffreville; Tr: Jean-Michel Bazire
2. Ampia Mede SM 13,2 Franck Nivard 31
3. Décoloration 13,3 Gabriele Gelormini 75
4. Ce Bello Romain 13,4 Anthony Barrier 120
5. Jerry Mom 13,5 Matthieu Abrivard 630
6. Gu d‘Héripré 13,6 David Thomain 180
7. Zarenne Fas 13,6 Tristan Ouvrie 400
8. Charly de l‘Aunay 13,8 Junior Guelpa 1180
9. Dorgos de Guez 14,6 Nicolas Bazire 120
10. Chalimar de Guez 14,6 Guillermo Horrach Vidal 1850
11. Granvillaise Bleue 15,6g Pierre Vercruysse 1130
Fire Cracker dis.r. Eric Raffin 300
Fado du Chêne dis.r. Paul-Philippe Ploquin 1900
Sieg: 24; Richter: leicht ¾ - ½ - 2 - 1½ - 1½ - ½ Länge; 13 liefen
Zw-Zeiten: 14,1/1350m - 14,2/1850m - 14,0/2350m
Wert: 40.500 - 22.500 - 12.600 - 7.200 - 4.500 - 1.800 - 900 Euro
Video: https://www.letrot.com/fr/replay-courses/2022-11-03/7500/7
Im abschließenden Prix d'Amiens (51.000 Euro/2700 Meter) für fünfjähriges Hengste und Wallache bis 111.000 Euro Gewinnsumme setzte Stall Habos Hooper des Chasses noch einen (kleinen) deutschen Akzent.
Der zuletzt im Bayern-Pokal, im Langen Hamburger und im Hunyady-Memorial mit Rudi Haller jeweils überzeugend siegreiche und dabei rasch über die 100.000-Euro-Grenze gekletterte Wallach wurde von Robin Bakker durchaus offensiv vorgetragen und besaß nach gutem Beginn unterwegs sogar zwei Mal die Führung.
In der Schlussphase der vom 154:10-Außenseiter Happyjo de Ligny (Matthieu Abrivard) in 1:13,9/2700 Meter gewonnenen Partie spürte Hooper des Chasses jedoch den scharfen Wind des Wintermeetings und trabte als chancenloser Achter in 1:14,3 über Linie. Durch die Zielgaloppade des Bazire-Schützlings Hoffenbach ging der Schützling von Patricia van der Meer dennoch nicht leer aus und wurde auf den mit 510 Euro dotierten letzten Geldrang befördert.
Video: https://www.letrot.com/fr/replay-courses/2022-11-03/7500/8