Östersund, Samstag, 11. Juni 2022. Nicht viel Glück mit dem Wetter hatte das malerisch mitten im Wald gelegene Östersund an seinem bedeutendsten Renntag rund um den Jämtlands Stora Pris. Regenschauer bis in die Mittagsstunden hatten das Geläuf in eine ziemliche Schlammwüste verwandelt und nur 3.923 „Zahlende“ aus der trockenen Stube gelockt.
Einer indes freute sich dreckverschmiert wie ein kleiner Modder-König: Alessandro Gocciadoro. Dabei hatte es bei der Startplatzauslosung für seinen Vorjahrssieger mies angefangen: Vernissage Grif, vor 13 Tagen nach offensivem Vortrag nicht ins Elitloppet-Finale gekommen, bekam die „10“ verpasst, und auf dem matschigen Platz gingen die Kalamitäten weiter.
Im Gegensatz zum patzenden und mit endlosem Abstand hinterherlaufenden Milligan’s School gut ins Rennen gekommen, fand der Mann in Gelb dann doch keine Lage. Offensiv durch Spur drei dampfen und irgendwo in der Todesspur hängen bleiben oder sich ans Ende des Pulks fallen lassen und auf die Renngötter hoffen?
Italiens Trainerchampion entschied sich für Version zwei und konnte sich als Laternenträger in Ruhe ansehen, wie Click Bait (1) den ersten Angriff des vom Start fliegenden Milliondollarrrhyme (5) resolut abwimmelte und Freddie Larsson den Ready-Cash-Sohn nach 300 Metern dahinter einparkte. Mitte der ersten Überseite kam als nächster Quälgeist Mister Hercules, dessen Muskelspielen Per Lennartsson nicht widerstehen wollte.
Kaum war der bei 30:10 zum Favoriten erkorene „Herkules“, der bereits im Heat seine Galopp-Allüren ausgepackt hatte, eingangs der zweiten Kurve vorbei, als er dem auch heute wieder glücklosen Örjan Kihlström schwer aus dem Takt geriet. Für ihn sprang, mehr der Not denn der Tugend geschuldet, Selected News in die Bresche, der Click Bait nicht zur Ruhe kommen ließ.
Er massierte ihn bis zum Exzess - mit ernüchternden Folgen für Beide. Als absehbar war, dass Selected News nicht vorbeikommen würde, wurde Milliondollarrhyme hinter ihn in Spur zwei lanciert mit Gareth Boko, Spickleback Face und Vernissage Grif als Anhängseln, wodurch Leichtgewicht Dwayne Zet, der auch in der Silverdivisionen hätte antreten können, und Digital Class sich innen „eins vor“ pirschen konnten.
700 Meter vorm Ziel eröffnete Gareth Boko Spur drei, und noch eien Spur weiter außen rüstete Vernissage Grif auf. 300 Meter weiter streckte Selected News die Waffen, um den Millondollarrhyme früher als geplant herum musste. Zu Beginn der Zielgeraden trat in vierter Gefechtslinie Vernissage Grif immer nachdrücklicher auf den Plan.
Rasch war der Widerstand von Click Bait gebrochen, der zumindest für Platz drei kämpfte wie ein Löwe, wenig später war auch Milliondollarrhyme abserviert, und 100 Meter vor Ultimo begann die große Show des Alessandro Gocciadoro - wobei Show vielleicht gar nicht der richtige Ausdruck ist, sondern eher „Freude pur“: Alex ließ den Varenne-Sohn laufen wie der wollte, reckte die Hände gen Himmel, klatschte vor Begeisterung über seinen Hengst und jubelte dem Publikum zu, wie man es selten gesehen hat.
Ein Wunder, dass die Rennrichter eine Rennvorschrift nicht sinnentleert wie noch vor Jahresfrist beim Paralympiatravet-Sieg von Délia du Pommereux auslegten, sondern die Kirche im Dorf ließen: Natürlich geriet auch Gocciadoro die Peitsche über Schulterhöhe - allerdings mit dem Schmiss nach unten -, und manch einer befürchtete, er würde wie damals Eric Raffin zu Kasse und Fahrverbot gebeten. Zum Glück hatten die Stewards diesmal ein sinnvolles Einsehen, anstatt wie Korinthenkacker Öl ins Jubelfeuer zu gießen.
„Es gibt keine Worte für dieses fantastische Pferd. Er hatte in dieser Saison so viel Pech. Nun haben wir ihn mit Eisen gefahren, und es hat bestens funktioniert. Ich glaube, nach Solvalla ist Östersund meine zweite Lieblingsbahn in Schweden“, strahlte der 46-jährige, der erst der Zweite ist, dem die direkte Titelverteidigung im seit 1995 ausgetragenen Großen Preis des Jämtlandes gelungen ist.
Begonnen hatte die Serie der in Schweden unvergessene Zoogin sogar mit einem Dreifach-Schlag. Einmal mehr war Victory Tilly auf die Ehrenrunde gegangen, hatte zwischen seinen vier Treffern jedoch stets ein Jahr ausgelassen. Einmal wurde bei der Siegerehrung deutsch gesprochen: 2013 wurden Bagley, Conrad Lugauer sowie die Besitzer Dagmar und Thomas Bosner für ein Jahr Könige des Jämtlandes.
„Es freut mich ungemein für Alessandro und vor allem für Vernissage Grif, der ja ein Sohn ‚meines‘ Varenne ist“, gab Jori Turja preis - der Mann, der einst Il Capitano Varenne in die Weltklasse geführt hat, seit einigen Jahren in der Nähe von Åby lebt, Gocciadoro aus seiner italienischen Ära kennt und ihn in vielen Dingen berät, was dessen schwedische Zweigstelle betrifft.
Der 35. Sieg aus 106 Auftritten spülte dem Fuchs mit der langen schmalen Blesse weitere 700.000 Kronen in die Schatulle, die mit 8.744.109 Kronen (von denen die meisten als Euro geflossen sind) üppig gefüllt ist.
Übrigens: Nicht nur für Rennen der Kategorie I kann Svensk Travsport im Kampf gegen Doping die Option eines Überwachungsstalles ziehen: Bis Samstag, 10.00 Uhr, hatten alle vierbeinigen Aspiranten des Jämtlands Stora Pris im gekennzeichneten Stall anwesend zu sein.
Jämtlands Stora Pris - Gulddivisionen - (Gruppe II int.)
2140m Autostart, 1.314.000 SEK
1. Vernissage Grif 12,7 Alessandro Gocciadoro 74
8j. Fuchshengst von Varenne a.d. Dalia Grif von Park Avenue Joe
Be: Gennaro Riccio, IT; Zü: Allevamento Il Grifone, IT; Tr: Alessandro Gocciadoro
2. Milliondollarrhyme 13,2 Fredrik Larsson 125
3. Click Bait 13,3 Per Lennartsson 63
4. Digital Class 13,4 Ulf Ohlsson 670
5. Spickleback Face 13,4 Daniel Wäjersten 66
6. Gareth Boko 13,5 Magnus Djuse 73
7. Dwayne Zet 13,8 Mats Djuse 495
8. Selected News 14,9 Björn Goop 92
9. Milligan’s School 17,0g Ulf Eriksson 222
Mister Hercules dis.r. Örjan Kihlström 30
Sieg: 74; Richter: überlegen 6 - 1 - 1 - Hals - 1 - 2 Längen; 10 liefen
Zw-Zeiten: 13,0/500m - 12,3/1000m - 12,5/1500m - 13,0/letzte 500m
Wert: 700.000 - 325.000 - 135.000 - 65.000 - 32.000 - 19.000 - 19.000 - 19.000 SEK
Video: https://www.youtube.com/watch?v=QkmYhMbUp0w
Was mit dem Außenseiter-Sieg von Hector Sisu und Mika Forss in der Silverdivisionen so schwungvoll für die Quotenjäger begonnen hatte, setzte sich als ziemlich favoritenlastige Angelegenheit fort.
Besonders die beiden Volksbänke Born to Run, mit dem Alex Gocciadoro in der Klass I schon mal Maß nahm für den bedeutenderen Auftritt, und Bentley Gar mit Andreas Lövdal in der vom Fahrer-Nachwuchs bestrittenen Diamant-Stoet standen fünf bzw. acht Längen vor der Konkurrenz wie die berühmte „1“.
So wurde Rang drei mangels Masse, die unterhalb der kritischen Auszahlungsgrenze von 15 Kronen lag, nicht bedient. Boden lockt am kommenden Samstag ab 18.10 Uhr zum Mitternachtstraben mit einem fetten Jackpot.
V75-1 (Silver): Hector Sisu / Mika Forss 114
V75-2 (Kallblod): Kalmar / Henrik Svensson 65
V75-3 (Klass I): Born to Run / Alessandro Gocciadoro 14
V75-4 (Diam-Sto): Bentley Gar / Andreas Lövdal 15
V75-5 (Klass II): Firefoot / Magnus Djuse 65
V75-6 (Guld): Vernissage Grif / Alessandro Gocciadoro 74
V75-7 (Brons): L.L.Royal / Robert Bergh 38
Umsatz V75: 83.755.573 SEK
1. Rang: 4.921 Systeme à 4.424 SEK
2. Rang: 65 SEK
3. Rang: Jackpot 21.776.449 SEK
Umsatz Top-7 (Klass II): 1.157.245 SEK