(nn) Vincennes, Sonntag, 28. Februar 2021. Mit einer Sensation endete die längste Prüfung, die Vincennes den professionellen Fahrern zu bieten hat. Den seit einigen Jahren aus lediglich einem Band gestarteten 4150-Meter-Marathon des Prix de Paris (in früheren Zeiten gab es Zulagen für die Gewinner des Prix d’Amérique und des Prix de France), den letzten Lauf der etwas sperrig titulierten Prix Amérique Races Zéturf Séries, schnappte sich für 602:10 der mit dem ersten Schritt regierende Etonnant dank einer Einschläferungstaktik, der alle Favoriten auf den Leim gingen.
Einen Vorwurf kann man ihnen darob nicht machen, denn es war doch recht dünn, was Richard Westerinks Schützling in den letzten Jahren vorm Sulky zustande gebracht hatte. Vielmehr hat er sich zum veritablen Monté-Spezialisten gemausert und dort als zweimaliger Zweiter des Prix de l’Île de France vor allem auf den Sprintstrecken höchst vernehmliche Akzente gesetzt.
Einziger dezenter Hinweis für ein gutes Abschneiden auch im Attélé war Platz fünf im Prix de Bourgogne hinter Face Time Bourbon, Vivid Wise As, Délia du Pommereux und Davidson du Pont - doch auch der führt bekanntlich lediglich über 2100 Meter.
Nach zwei Fehlstarts, die besonders an Davidson du Ponts und Flamme du Goutiers Nervenkostüm zerrten, schickte Anthony Barrier den Timoko-Sohn von den Außenrails volle Pulle los und versuchte sein Heil auf die simpelste Methode: die Führung übernehmen und hoffen, dass Füße und Lunge weit genug tragen. Hinter ihm reihten sich Moni Viking, Tony Gio, Valzer di Poggio und Carat Williams ein, während Hard Times nach wenigen hundert Metern ein Totalausfall war.
Wer sonst als Alain Laurent schwang sich zum x-ten Mal mit Chica de Joudes zum äußeren Anführer auf, hinter dem Violetto Jet, Flamme du Goutier, Délia du Pommereux, Davidson du Pont, Diable de Vauvert, Décoloration und Laternenträgerin Bahia Quesnot Posten bezogen und Barrier bei teilweise 1:20er Tempo „mal machen ließen“. Erst als es zum zweiten Mal in den Bogen von Joinville ging, erhöhte sich die Taktzahl nachhaltig.
Jean-Michel Bazire wollte zur Attacke schreiten, doch hatte es Tony Le Beller mit Décoloration noch einen Tick eiliger. Im Nu preschte die Prince-d’Espace-Tochter in dritter Linie voran und hatte Etonnant fast erreicht, als kurz vorm Anstieg der Salto mortale für die Braune kam. Das nächste Drama spielte sich fast im gleichen Moment am Ende des Pulks ab, wo Davidson du Pont aus dem Tritt geriet - Bazire konnte sich den achten Triumph in dieser Prüfung 1200 Meter vorm Ziel restlos abschminken.
Folglich blieb es beim Führungsduo Etonnant/Chica de Joudes, bis sich mit Flamme du Goutier die Jüngste erbarmte und an der Einmündung der kleinen Bahn Spur drei ein weiteres Mal eröffnete. Eine bessere Zugmaschine konnte sich Raffin für Délia du Pommereux kaum wünschen, doch nach ihrem Triumph im Prix de France über den „unbezwingbaren“ Face Time Bourbon bekam Frankreichs Champion unter die Nase gerieben, dass sich Wunder nicht so simpel wiederholen lassen.
Während der von den Gemeinten sträflich lange in Ruhe gelassene Etonnant unbeirrt seinen Stiefel zum bedeutendsten Erfolg seiner Laufbahn durchzog und nach diesem 13. Treffer 811.600 Euro in Richard Westerinks eigene Kasse gespült hat, konnte die Niky-Tochter nicht mehr zulegen und landete als zunächst Siebente gar außerhalb der Quinté-Wette.
Umso prächtiger hielt Flamme du Goutier durch und gegen den von letzter Stelle an den Außenrails höllisch spurtenden Diable du Vauvert den Ehrenplatz um Haaresbreite fest. Das Plätzchen im Windschatten des Leaders war für Moni Viking zunächst Platz vier wert, und den Run streng innen entlang nutzte Carat Williams mit einer der besten Leistungen seit ewigen Zeiten, um die wackere Chica de Joudes knapp abzufangen. Erst dann waren Délia du Pommereux und die stets im Hintertreffen lavierende Bahia Quesnot am Ziel der vier Kilometer.
Violetto Jet war ausgangs der letzten Kurve gesprungen, Valzer di Poggio wenig später. Tony Gio, der Paris-Zweite der Jahre 2019 und 2020, unterstrich seine extrem schwache Verfassung der letzten Monate mit dem totalen Rückzug, als es ans Eingemachte ging.
Ein entscheidendes Wort mitzureden hatten die Gangartrichter, denen Flamme du Goutiers auf den finalen 150 Metern hundsmiserabler Trab nicht verborgen geblieben war; auch die Ready-Cash-Tochter wurde noch eliminiert. Für die mächtige Braune ein unschöner Schlusspunkt unter ein für sie gleichwohl grandioses Meeting, der ihr keinen Zacken aus der Krone brach: Sieben Mal hat sie ihr Herz in die Schlacht geworfen, vier Siege, davon zwei auf höchstem Niveau, sowie einen Ehrenplatz (im Prix de Cornulier) samt 426.750 Euro gebunkert und ist als eine der ganz großen Entdeckungen dieses Winters zweifellos ein Pferd mit Zukunft - vorm Sulky wie unterm Sattel.
Etonnant, das siebte und beste Fohlen der zwölffachen Siegerin Migraine, die 2007 mit 432.855 Euro in die Zucht gewechselt ist, blieb mit 1:14,7 recht deutlich über dem 1:13,5-Rennrekord, der seit 2015 auf den Schultern Up and Quicks ruht.
Prix de Paris (Gruppe I int., vier- bis elfj. Hengste und Stuten)
4150m Bänderstart o.Z., 400.000 Euro
1. Etonnant 14,7 Anthony Barrier 602
7j.br. Hengst von Timoko a.d. Migraine von Alligator
Be / Tr: Richard Westerink; Zü: Christian Guy Vigier
2. Diable de Vauvert 14,8 Gabriele Gelormini 97
3. Moni Viking 14,9 Pierre Vercruysse 110
4. Carat Williams 14,9 Matthieu Abrivard 650
5. Chica de Joudes 14,9 Alain Laurent 460
6. Délia du Pommereux 14,9 Eric Raffin 65
7. Bahia Quesnot 15,0 Junior Guelpa 250
8. Tony Gio 15,8 Yoann Lebourgeois 300
Flamme du Goutier 2.dai Théo Duvaldestin 96
Hard Times dis.r. Vitale Ciotola 2160
Valzer di Poggio dis.r. Nicolas Bazire 710
Décoloration dis.r. Tony Le Beller 370
Violetto Jet dis.r. Franck Nivard 450
Davidson du Pont dis.r. Jean-Michel Bazire 18
Sieg: 602; Richter: leicht 1½ - (k.Kopf) - 1½ - Hals - ½ - 2 - 17 Längen; 14 liefen (NS Féerie Wood)
Zw-Zeiten: 17,2/2650m - 15,8/3150m - 15,0/3650m
Wert: 180.000 - 100.000 - 56.000 - 32.000 - 20.000 - 8.000 - 4.000 Euro
Video: https://www.letrot.com/fr/replay-courses/2021-02-28/7500/4
Mit Glück und der „Duvaldestin-Form“
100.000 Euro spendierte der Veranstalter zum Einstieg des Neun-Gänge-Menüs im Prix Paul Bastard den einheimischen Satteltrabern der Generation 2016, bei denen Good Luck Quick als einziger Hengst seiner Rolle als Hahn im Korb der sechs Ladys nie wirklich gerecht wurde und nach mäßigem Beginn vom Ende des kleinen Feldes nur Rang vier festzumachen verstand.
Bestimmt wurde die 2700-Meter-Prüfung von Gladys des Plaines, mit vier Gruppe-Siegen eine der Aufsteigerinnen dieses Winters. Ausgerechnet in ihrer größten Aufgabe, dem Prix de Cornulier, war Gilles Curens‘ sonst so zuverlässige Sattelspezialistin bei der Hetzjagd am Berg aus dem Takt gekommen. Die Verschnaufpause, die der Opus-Viervil-Tochter seit jenem 24. Januar verordnet worden war, schien beste Früchte zu tragen.
Mathieu Mottier schnappte sich mit ihr sofort das Zepter vor Grâce de Faël, Galla de Manche, Grande Copine und Good Luck Quick, während sich nach hinten versetzt Granvillaise Bleue vor Greta du Châtelet außen herum versuchte. Nach gemütlichen 1200 Metern in 1:15,2 ging’s bergauf richtig zur Sache. Als Mottier die Schlagzahl gewaltig erhöhte, war Galla de Manche sofort erfasst und seilte sich in Windeseile nach hinten ab; wenige hundert Meter später tat es ihr Greta du Châtelet gleich.
Dran zu bleiben an der kleinen Braunen vermochte lediglich Grâce de Faël, die eingangs der Zielgerade zur Attacke schritt und rasch eine halben Länge Vorteil herausholte. So leicht ließ sich die 14:10-Favoritin aber nicht vernaschen, nahm das Gebiss wieder an und konterte die großrahmige Rivalin in einem denkwürdigen Kopf-an-Kopf-Finish um einen „Hals“ aus
Das Glück war jedoch wieder nicht auf ihrer Seite. Die letzten 100 Meter legte sie in äußerst bedenklicher Aktion zurück, und folgerichtig wurde nach „Enquête“ nicht sie, sondern Grâce de Faël zum neunten Mal als Siegerin hochgezogen. Jene Protagonistin der ersten Monté-Stunden, die sich danach vieles durch ewige Kapriolen vermasselt hatte.
Diesmal hielt Matthieu Abrivard die kapriziöse Sam-Bourbon-Tochter, die mit 1:11,9 Flèche Bourbons im Vorjahr auf 1:13,1 gedrückten Rennrekord atomisierte und nun 339.100 Euro ihr Eigen nennt, eisern bei der Stange und hatte zudem das Glück auf seiner Seite. 14 Längen zurück hielt Camille Levesque mit der Jag-de-Bellouet-Tochter Granvillaise Bleue dem Endspurt Good Luck Quicks um zwei Längen stand.
„Was für eine großartige Leistung, und was für ein Rekord“, fielen Abrivard nach den vielen missratenen Vorstellungen mehrere Steine vom Herzen, „es passte alles vorzüglich. Sie hat endlich mal nicht aufgegeben, gezeigt, was sie wirklich kann und an ihre glanzvollen 2019er Tage angeknüpft.“
Prix Paul Bastard - Monté - (Gruppe II nat., fünfj. Stuten & Hengste)
2700m Bänderstart o.Z., 100.000 Euro
1. Grâce de Faël 11,9 Matthieu Abrivard 75
5j.br. Stute von Sam Bourbon a.d. Aquarelle de Faël von Look de Star
Be: José Fernandes; Zü: Virginie Le Piver; Tr: Thierry Duvaldestin
2. Granvillaise Bleue 12,9 Camille Levesque 160
3. Good Luck Quick 13,1 Adrien Lamy 53
4. Grande Copine 13,1 Eric Raffin 140
5. Greta du Châtelet 14,0 Yoann Lebourgeois 750
6. Galla de Manche 15,4 David Thomain 280
Gladys des Plaines 1.dai Mathieu Mottier 14
Sieg: 75; Richter: Kampf (- Hals) - 14 - 2 - ¼ - 12 - 20 Längen; 7 liefen
Zw-Zeiten: 15,2/1200 - 12,8/1700m - 12,2/2200m
Wert: 45.000 - 25.000 - 14.000 - 8.000 - 5.000 - 2.000 (- 1.000) Euro
Video: https://www.letrot.com/fr/replay-courses/2021-02-28/7500/1
Endlich Björn Goop
Im Prix de la Mayenne für fünf- und sechsjährige europäische Traber, die keine 275.000 Euro gewonnen hatten, als letzter der drei Gruppe-Prüfungen ließ es Björn Goop am Totalisator noch lauter knallen als 1½ Stunden zuvor Anthony Barrier. 957:10 - eine solche Quote gab es höchst selten auf den zwölffachen Schweden-Champion, an dem das Winter-Meeting trotz vielfacher Präsenz mächtig vorbeigelaufen ist.
Wäre da nicht Rausreißer Face Time Bourbon - und selbst mit dem sorgte er nach dem eher unrühmlichen Ehrenplatz im Prix de France für negative Schlagzeilen -, hätte sich manch einer gefragt, ob der 44-jährige überhaupt im Pariser Winter präsent war. Bei 2020 87 Versuchen hatte er gerade fünfmal ins Schwarze getroffen - die beiden Treffer mit „FTB“ eingerechnet. Es hat schon Meetings gegeben, da rangierte Schwedens einziger Fahrer mit mehr als 7.000 Siegen bei ebenso vielen Engagements unter den Top Ten.
Hinzu kam, dass seine Partnerin Allegra WF bei ihrem einzigen Auftritt in Frankreich vor 15 Tagen als Achte unsichtbar geblieben war und weite Wege wie in der heutigen Gruppe-III-Prüfung schon „qua Zucht“ nicht unbedingt das bevorzugte Arbeitsgebiet italienischer Pferde sind. Doch Trainer Vitale Ciotola hat seine kleine Truppe ordentlich in Schuss und Goop eben nichts verlernt, auch wenn ihm das Pech bislang schwer an den Fingern geklebt hatte.
Blitzartig jagte er die Varenne-Tochter in Front, ließ vorm Einbiegen auf die Tribünengerade den für „wacklige“ 34:10 auf den Favoritenschild gehobenen Forum Meslois vorbei - und der erledigte für ihn die Drecksarbeit. Ob Alcide Roc, Filou l’Auvergnier, All Wise As, Fame Music, Flaya Kalouma oder zuletzt Favorite Fligny - alle mehr oder weniger energisch vorgetragenen Attacken parierte der Timoko-Sohn.
Als Favorite Fligny im Einlauf schwächelte, ging die Tür passend auf für Allegra WF, die den strapazierten Leader ihrem Namen gemäß „fröhlich-spritzig“ um zwei Längen links liegen ließ und Karriere-Sieg Numero zehn fix machte.
Prix de la Mayenne (Gruppe III int., Fünf- & Sechsj., keine 275.000 Euro; in den letzten 12 Monaten nicht unter den ersten Drei eines Gruppe-I-Rennens)
2700m Bänderstart o.Z., 80.000 Euro
1. Allegra WF 12,5 Björn Goop 957
5j.dklbr. Stute von Varenne a.d. Formosa Jet von Pine Chip
Be: Team Minopoli Srl, IT; Zü: Paolo Farneti, IT; Tr: Vitale Ciotola
2. Forum Meslois 12,7 Gabriele Gelormini 34
3. Fame Music 12,7 Mathieu Mottier 68
4. Noble Superb 12,8 Jean-Michel Bazire 75
5. All Wise As 12,9 Alexandre Abrivard 110
6. Festif Charmant 13,1 Damien Bonne 150
7. Favorite Fligny 13,2 Jérémy-Gaston van Eeckhaute 700
8. Flaya Kalouma 13,3 Gabriel Angel Pou Pou 65
9. Forbach 13,4 David Thomain 1210
10. Upset Face 13,8 Yoann Lebourgeois 150
11. Filou l’Auvergnier 16,7 Franck Nivard 330
Alcide Roc dis.r. Matthieu Abrivard 76
Gamble River dis.r. Eric Raffin 240
Sieg: 957; Richter: sicher 2 - 1 - ½ - 1½ - 3 - ½ - 2 Längen; 13 liefen (NS Gainsborough / Attest)
Zw-Zeiten: 14,6/1200m - 13,7/1700m - 12,5/2200m
Wert: 36.000 - 20.000 - 11.200 - 6.400 - 4.000 - 1.600 - 800 Euro
Video: https://www.letrot.com/fr/replay-courses/2021-02-28/7500/7