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Jean-Michel Puppenspieler
30. Januar 2023

Vincennes, Sonntag, 29. Januar 2023. Das Schöne am Sport: Auch für alte Hasen, die vermeintlich schon alles erlebt haben und die kaum noch etwas überraschen kann, holt er so manche Novität aus dem Säckel. Wie viel wurde spekuliert vor der 102. Auflage des Prix d’Amérique, der sich seit 1920 aus kleinen Anfängen zum bedeutendsten Traber-Spektakel der Welt entwickelt hat, und in dem ein Sieg für Fahrer, Trainer, Besitzer, Züchter, Pfleger einem Ritterschlag gleichkommt.

Es war vorab von einem der am schwächsten besetzen Amérique der letzten Jahre ohne einen echten Rausgucker oder Welt-Champion die Rede. Aus taktischer Sicht noch unübersichtlicher kam die legendäre 2.700-Meter-Prüfung daher, die noch immer wie in älter Väter Zeiten aus einem Band begonnen wird, als noch am Abend der definitiven Starterangabe Etonnant gestrichen werden musste. Jener Dauerläufer, von dem ziemlich verlässlich alle Welt spätestens nach einem Kilometer die Führungsarbeit erwartet hatte.

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JMB schon bei der Fahrerpräsentation bester Laune (Foto: cnews.fr)

Nicht unbedingt tief gestapelt hatte Jean-Michel Bazire, der seinem Hooker Berry einen Platz in der Quinté-Wette an dritter bis fünfter Position zugetraut hatte, „wenn für uns alles optimal läuft. Favoriten sind für mich Idao de Tillard und Horsy Dream, danach entscheiden die Fitness am Tag X und der Rennverlauf.“

Und der war ganz nach dem Geschmack des 20-fachen „Sulky d’Or“, der, so schien es nach wenigen Metern, für die unübersichtliche Ausgangslage nicht zum ersten Mal wie ein Marionettenspieler die Fäden der Anderen in der Hand hielt und damit jonglierte. Dass mit Décoloration ausgerechnet die mit 105 Auftritten Erfahrenste des verbliebenen 16er-Feldes den Start völlig vermasselte - geschenkt. Sie hatte ohnehin kaum jemand auf der Rechnung.

Wichtiger für „JMB“ war, dass sich Idao de Tillard im ersten Bogen in dritter Spur schief machte, sein junger Fahrer alle Mühe hatte, ihn nicht auf Nebenmann Italiano Vero purzeln zu lassen, und der bei diesem Manöver prompt und unwiderruflich aus dem Tritt kam. Der kurz vorm „Ab“ Idao de Tillard als Favorit um einen Punkt ablösende Horsy Dream, bei seinen Endspurt-Bomben im Prix Ténor de Baune wie im Prix de Belgique aus konsequenter Deckung eingesetzt, übernahm früh den Part des äußeren Regenten und fiel mit dieser geänderten Strategie klassisch auf die Nase.

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Foto: leparisien.fr

Nun musste nur noch der Rest mitspielen für des Meisters Fuchs mit dem großen Keilstern, der aus der gepflegten Deckung eine Macht ist. Auch das klappte - wie eben bei einem Puppenspieler wie am Schnürchen. Mit schnöder Selbstverständlichkeit spannte sich Yoann Lebourgeois mit dem aus 3½ Monaten Rennpause kommenden Don Fanucci Zet vor die Herde wilder Pferde.

Sein unmittelbarer Verfolger war Moni Viking, der vor seinem achten Rang im Prix de Belgique ebenfalls für vier Monate keine Rennbahn gesehen hatte. Für Beide bestätigte sich die alte Weisheit mehr oder weniger deutlich, dass diese gemeinhin als schwerstes Trabrennen der Welt bezeichnete Aufgabe nicht ohne ausreichende Grundlage gewonnen werden kann.

Dazu kam, dass Hooker Berry dankenswerterweise von Hussard du Landret in dritter Spur den „Berg“ hinaufgezogen wurde. Als es für Bazire 250 Meter vorm Ziel hieß „Leinen los“, explodierte sein ohne Scheck und wie alle bis auf Idao de Tillard rundum barfuß aufgebotener Partner. Binnen 100 Metern war die Frage nach dem „Vainqueur“ geklärt.

Wie ein Geschoss fegte der Fuchs an den förmlich auf der Stelle tretenden vor ihm liegenden Gespannen vorbei, und den fünften Eintrag auf der adligen Ehrentafel feierte Frankreichs Publikumsliebling wie nie zuvor: 150 (!) Meter vorm Ziel steuerte er Hooker Berry im Gefühl des sicheren Sieges um ein paar Spuren nach außen Richtung proppenvolle Ränge und machte „Männeken“: Peitsche in den Himmel gereckt, Grüße, Kusshändchen, Verbeugungen, rechtes Bein in die Höhe wie vor Jahrzehnten von Peter Ingves eingeführt - „JMB“ gab in seinem Wohnzimmer den „turfistes“ kräftig Zucker. Der Jubel dies- wie jenseits der Rails war schier grenzenlos.

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Foto: letrot.com

Drei Längen hinter dem mit seinem 13. Treffer aus 51 Versuchen zum Millionär werdenden Dominator, dessen Konto auf 1.423.520 Euro katapultiert wurde, ging es längst nicht so entspannt zu. Auch Platz zwei ging an eine Speedrakete: Die kleine Ampia Mede SM bestätigte das im vorigen Winter fast gebetsmühlenartig von ihrem Ausbilder Fabrice Souloy wiederholte Mantra, sie sei eine der besten Stuten, die er je in Händen gehabt habe.

Die Eintrittskarte zum Amérique 2022 hatte sie nach einer Siegesserie wegen einer zur Unzeit aufgetretenen Indisposition verfehlt, doch aufgeschoben war bei ihr nicht aufgehoben. Mit einem Jahr Verspätung untermauerte sie die Wertschätzung des Chefs des Haras de Ginaï und sprintete von letzter Stelle des verbliebenen Pulks, aus dem sich Vernissage Grif durch ein Foul Flamme du Goutiers (acht Tage Fahrverbot für Théo Duvaldestin) bergauf und Vivid Wise As im letzten Bogen im Galopp abgemeldet hatten und auch Délia du Pommereux - gestört oder zumindest irritiert durch den sich in die Freiheit quetschenden Hohneck - 150 Meter vorm Pfosten aus dem Tritt kam, haarscharf auf den Ehrenplatz.

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Ampia Mede SM (4) fliegt auf den Ehrenplatz (Foto: france3-regions.francetvinfo.fr)

Seinen Frieden mit dem Amérique 2023 dürfte Philippe Allaire gemacht haben, dessen in den Qualifikationsrennen nicht immer zwingend wirkende Matadore Italiano Vero und Hohneck die dritte und fünfte Prämie abschleppten und 190.000 Euro zur Ernährungslage des Stalles beitrugen. Ganz zu schweigen von der französischen Generation „H“: Die 2018 Geborenen räumten mit den Rängen eins, vier (Hip Hop Haufor), fünf und sieben (Hussard du Landret) kräftig ab.

Rabenschwarz war diese 102. Ausgabe hingegen für Alessandro Gocciadoro und vor allem für Thierry Duvaldestin: Der 51-jährige verpasste nicht nur die Chance, als erster Ausbilder mit zwei unterschiedlichen Rossen den Cornulier und den Amérique in einem Winter auf seine Kappe zu bringen. Weil Cornulier-Siegerin Flamme du Goutier ihren dritten Platz vom Vorjahr nicht im Entferntesten zu wiederholen vermochte und schwer pumpend auf Platz zehn eintrudelte, gab‘s für sein „Entraînement“ keinen müden Euro.

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Amérique Nr. 5 für JMB (Foto: laprovence.com)

„Jamais, jamais“ - „niemals, niemals hätte ich mit einem Sieg gerechnet“, brach es aus Züchter und Besitzer Michel Aladenise am schönsten Tag seines trabrennsportlichen Lebens heraus, „ich wäre mit Platz drei hochzufrieden gewesen. Es ist unglaublich. Dank an alle, die uns unterstützt haben.“

Nicolas Bazire, der Hooker Berry zum Sieg im Prix du Bourbonnais chauffiert, danach gehofft hatte, sein Vater würde einen weiteren Kandidaten qualifizieren und er könne den Fuchs auch im Amérique fahren - stattdessen musste er als (zweibeiniger) Titelverteidiger tatenlos zusehen -, beantwortete die Frage, wie er den Triumph einschätze, kurz und knapp: „Tolles Pferd, toller Fahrer…“

„JMB“, der auf dem Weg zurück zum Winner Circle hautnah an den begeisterten Massen vorbei paradierte, strahlte von einem Ohr zum anderen: „Was für ein Erlebnis! Hooker Berry war in Top-Form, und ich hab versucht, ihm den bestmöglichen Parcours zu verschaffen. Als ich den Windschatten verließ, wusste ich, dass wir gewinnen. Es war so simpel wie bei meinem ersten Sieg 1999 mit Moni Maker. Und weil Hooker so trabsicher und ein echter Renner ist, konnte ich die Zügel schleifen lassen und mit ‚meinem‘ Publikum kommunizieren. Es war ein immenses Vergnügen, verbunden mit einem großartigen Traber, der von klein auf bei uns ist.“

Screenshot 2023-01-30 at 09-15-44 Prix d’Amérique. Victoire pour Hooker Berry drivé par le Sarthois Jean-Michel Bazire . Sport

Foto: cherbourg.maville.com

Ein wenig mit dem Schicksal haderte „Kronprinz“ Franck Nivard: „Ich bleibe bei meiner Meinung, dass dies kein ‚großer‘ Prix d’Amérique gewesen ist, was den Auftritt Hooker Berrys nicht kleinreden soll. Ampia Mede hat mich voll überzeugt. Schade, auch wir hätten vielleicht gewinnen können, hätten wir nicht so weit aus dem Rennen gelegen. Ihr Endspurt war phänomenal.“

Der Rennverlauf

Während sich Décoloration sofort aller Chancen im Galopp beraubte, schnurrte der ganz eng eindrehende Moni Viking ratzfatz vor Hohneck und Cokstile in Front. Interesse daran, die Spitze zu verteidigen, hatte Björn Goop jedoch nicht und überließ die Regie mit Beginn der Tribünengeraden Don Fanucci Zet, mit dem Yoann Lebourgeois wie von ihm gewohnt nicht lange fackelte und eine flotte Fahrt anschlug.

In breiter Front wurde noch vor der Tribüne neben ihm nach einer guten Lage gesucht. Letztlich fiel der Part des äußeren Führungsspielers eingangs des Bogens von Joinville an Horsy Dream, dem der brillant wie nie zuvor in die Hufe gekommene Hip Hop Haufor, Italiano Vero und Délia du Pommereux auf den Fersen waren. Die dritte Gefechtslinie beackerte Hussard du Landret - ein gefundenes Fressen für Bazire, der Hooker Berry in vorderer Linie vom Start gebracht hatte, dann jedoch die anderen mal machen ließ und sich an den zähen Kämpen ankoppelte.

Ihm folgten die sich zu Lasten Vernissage Grifs nach außen drängende Flamme du Goutier, Vivid Wise As und Schlusslicht Ampia Mede SM. Eine erste Vorentscheidung gegen Vivid Wise As fiel im Schlussbogen: Der Italiener, kein sonderlicher Fan des Plateau de Gravelle, sondern eher ebener Pisten wie jener von Cagnes-sur-Mer und Enghien, kam dort, nicht mehr frisch wirkend, schwer aus dem Tritt.

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Foto: leparisien.fr

Innen blies auch Moni Viking Schritt um Schritt zum Rückzug, wogegen Don Fanucci Zet sein strammes Pensum lange durchhielt. Nichts, aber auch gar nichts zu löten war gegen Hooker Berrys krachenden Endspurt: Kaum hatte ihn sein Pilot auf freie Bahn gezirkelt, als er auch schon am Schweden vorbei zu einem geschichtsträchtig bejubelten Sieg zischte.

Weil sich (fast) alle auf die durchaus sehenswerte Bazire-Show konzentrierten, blieb Vielen verborgen, wie prächtig sich die geschonte Ampia Mede SM ins Geschehen hängte und weit außen auf den Ehrenplatz spritzte.

102. Prix d’Amérique (Gruppe I int., vier- bis elfj. Hengste und Stuten)
2700m Bänderstart ohne Zulage, 1.000.000 Euro
1.    Hooker Berry    11,7    Jean-Michel Bazire    85
    6j. Fuchshengst von Booster Winner a.d. Osaka Berry von Caballio in Blue
    Be / Zü: Michel Aladenise; Tr: Jean-Michel Bazire
2.    Ampia Mede SM    11,9    Franck Nivard    350
3.    Italiano Vero    11,9    David Thomain    220
4.    Hip Hop Haufor    11,9    Christian Bigeon    330
5.    Hohneck    11,9    François Lagadeuc    310
6.    Don Fanucci Zet    12,1    Yoann Lebourgeois    94
7.    Hussard du Landret    12,1    Benoît Robin    480
8.    Horsy Dream    12,2    Eric Raffin    34
9.    Cokstile    12,2    Vincenzo-P. dell‘Annunziata    1240
10.    Flamme du Goutier    12,2    Théo Duvaldestin    110
11.    Moni Viking    12,4    Björn Goop    190
    Vivid Wise As    dis.r.    Matthieu Abrivard    280
    Délia du Pommereux    dis.r.    Pierre-Yves Verva    360
    Vernissage Grif    dis.r.    Alessandro Gocciadoro    1060
    Idao de Tillard    dis.r.    Clément Duvaldestin    35
    Décoloration    dis.r.    Gabriele Gelormini    780
Sieg: 85; Richter: überlegen 3 - k.Kopf - Kopf - ¾ - 2 - ½ Länge; 16 liefen (NS Etonnant / Borreliose-Schub; Honey Mearas / Fieber)
Zw-Zeiten: 11,4/1200m - 11,6/1700m - 12,1/2200m
Wert: 450.000 - 250.000 - 140.000 - 80.000 - 50.000 - 20.000 - 10.000 Euro

Video: https://www.letrot.com/fr/replay-courses/2023-01-29/7500/7

Ein Blick auf den Umsatz: Durch den aus allen Teilen der Welt gespeisten PMU-Toto flossen allein im Prix d’Amérique 18.369.134,65 Euro (Vorjahr 18.608.767,85; 2021: 17.466.831,28), davon 9.358.024,71 Euro (Vorjahr: 9.589.969,78 Euro) in der mit einem Drei-Millionen-Euro-Jackpot gespickten Quinté-Wette.