Vincennes, Freitag, 28. Mai 2021. In der Kategorie verirrt zu haben schien sich Trainer Paul Hagoort, der Ids Boko mit gerade mal 193.378 Euro den bei 699.999 Euro geschlossenen, mit dem Auto gestarteten Prix du Crépuscule verschrieb - und dem Spruch „Form schlägt Klasse“ neue Nahrung gab. Form hat Deutschlands Derby-Zweiter von 2018 ohne Ende, was er unter anderem beim Bahnrekord-Lauf in Mons am 31. März, beim überzeugenden Sieg im dänischen Skive sowie bei „Bronze“ im Copenhagen Cup unterstrich, wo er sich auf 1:10,3 verbesserte.
Robin Bakker ließ sich mit dem bulligen From-Above-Sohn von Startreihe zwei nicht ins Bockshorn jagen, hängte sich an den gleichfalls in der hinteren Reihe losmarschierenden Violetto Jet, der in zweiter Linie Détroit Castelets und Frisbee d’Am vor sich hatte - und fuhr damit goldrichtig. Mit kernigem Antritt hatte sich Colonel das Kommando gegen Express Jet gesichert, trat es jedoch zur Hälfte des 2100 Meter kurzen Weges ab, als David Thomain mit dem Favoriten Ernst machte. Noch einen Tick eiliger hatte es kurz darauf dessen Schatten Frisbee d’Am, hinter dem Franck Nivard in halber Spur lavierte.
Zu Beginn der Zielgeraden packte Frisbee d’Am unter dem immensen Druck des wieder nach außen beorderten Détroit Castelets genauso gründlich seine Siebensachen wie Colonel. Nach Hause kam der Schützling Jean-Luc Dersoirs, der seit 1½ Jahren auf seinen zwölften Treffer wartet, wieder nicht: Der in solchen Sphären hart geprüfte Violetto Jet war rasch vorbei, doch durfte auch Nivard die Hände nicht in den Schoß legen. Mutig raufte sich Ids Boko heran, und der 41-jährige musste alle Register seiner Finishkunst ziehen, um den aufmüpfigen Underdog um einen „Hals“ in Schach zu halten.
Der nunmehr wieder offiziell von Fabrice Souloy trainierte gebürtige Italiener machte seinerseits das Siegdutzend aus 31 Frankreich-Starts voll und hat damit 563.062 Euro auf der Uhr. Hauchdünn rettete Détroit Castelets 2½ Längen zurück Platz drei gegen den aus dem Mittelfeld prima auf Touren kommenden Eclat de Gloire.
„Wenn er richtig in Schuss ist, ist er großartig“, machte Nivard aus der Wertschätzung für den Schützling Souloys kein Hehl, „wir sind aus Reihe zwei gut ins Match gekommen und hatten immer gute Zugpferde. Ids Boko war ein echt zäher Rivale, aber Violetto hat bis zur Linie keinen Deut locker gelassen.“
Sieger und Zweiter schlugen zeitgleich in 1:10,5/2100 Meter an. Ids Boko verbesserte damit den bis dato gemeinsam von Banks (2015 Fahren) und Dreambreaker (2021 Reiten) gehaltenen Mitteldistanz-Rekord deutscher Wallache um eine Zehntelsekunde.
Prix du Crépuscule (Gruppe III int., Fünf- bis Zehnj., keine 700.000 Euro)
2100m Autostart, 80.000 Euro
1. Violetto Jet 10,5 Franck Nivard 66
7j.br. Hengst von From Above a.d. Nocciolaia Jet von Pine Chip
Be: Soc.All. Raffaele d’Alessandro Srl, IT; Zü: Az.Agr. D. Toniatti Giacommetti, IT; Tr: Fabrice Souloy
2. Ids Boko 10,5 Robin Bakker 170
3. Détroit Castelets 10,8 David Thomain 25
4. Eclat de Gloire 10,8 Eric Raffin 68
5. Brillant Madrik 10,8 Alexandre Abrivard 130
6. Blues d’Ourville 11,2 Pierre Houel 650
7. Calle Crown 11,3 Gabriele Gelormini 110
8. Dreammoko 11,3 Antoine Lhérété 680
9. Duel du Gers 11,4 Matthieu Abrivard 350
10. Frisbee d’Am 12,0 Anthony Barrier 88
11. Colonel 12,9 Dominik Locqueneux 190
Express Jet dis.r. Adrien Lamy 280
Black Jack From dis.r. David Békaert 1070
Blues des Landiers dis.r. Sébastien Ernault 880
Sieg: 66; Richter: Kampf Hals - 2½ - k.Kopf - 1 - 3½ - 1 - Hals - 1½ Längen; 14 liefen (NS Eridan)
Zw-Zeiten: 07,6/600m - 09,9/1100m - 10,3/1600m
Wert: 36.000 - 20.000 - 11.200 - 6.400 - 4.000 - 1.600 - 800 Euro
Video: https://www.letrot.com/fr/replay-courses/2021-05-28/7500/2
Der dritte Mann schlägt zu
Auf dem Weg zum am 4. September terminierten Critérium des 4 Ans absolvierten die französischen Stuten und Hengste nach Geschlechtern getrennt eine weitere halbklassische Etappe um je 100.000 Euro, die im Prix Phaëton fürs starke Geschlecht lange ganz nach dem Geschmack Philippe Allaires verlief. Mit Hatchet Man, Hohneck und Helgafell hatte der 61-jährige ein extrem starkes Trio unter Order, das bis zur letzten Ecke das Podest unter sich auszumachen schien.
Für Regisseur Allaire lief der Rennfilm wie nach Drehbuch: Hohneck flitzte ratzfatz vor Hyacinto Bello und dem von Jean-Michel Bazire zu Franck Leblanc gewechselten Hooker Berry nach vorn und wurde von Hokkaido Jiel begleitet, dem Hatchet Man vor Saisondebütant Helgafell am Hacken klebten. Im Bogen von Joinville machte David Thomain Hatchet Man, der im Frühjahr enorm an Kraft gewonnen hat und sein Pensum nun auch durchsteht, wie zwei Treffer in Folge unterstrichen, Beine. Natürlich ließ Nivard den Trainingskameraden nicht an der frischen Luft verhungern.
Bei hohem Tempo gelangte für den Anstieg Hokkaido Jiel als Dritter nach innen, womit Helgafell der äußere Fahrtwind kräftig ins Gesicht blies. Bis eingangs der Zielgeraden schienen die Allaires prächtig in der Spur, doch dann sprang erst Helgafell, 20 Meter weiter Hatchet Man. Gut, wenn man noch einen dritten Kandidaten im Angebot hat, mit dem Franck Nivard händeringend auf ein Schlupfloch spekulierte. Der „Mann mit den Nerven aus Stahl“ erspähte mit Adleraugen die von Hatchet Man geschaffene Lücke und stukte Hohneck zum zehnten Sieg, zugleich dem vierten auf Gruppe-Level.
Unbestreitbares Glück des Tüchtigen, dass der im Schlussbogen kreuzgefährlich in dritter Linie aufziehende Hermès Pat einen kleinen Stopp durch den galoppierenden Helgafell hinnehmen und auch Hokkaido Jiel sich hinter Hohneck erst frei schlängeln musste. Überraschend dicht dabei blieb Howdy Partner, der mit viel Pech per „Enquête“ seines ansehnlichen vierten Platzes verlustig ging.
„Am 19. Mai in Caen, wo er sein Monté-Debüt geben sollte, fühlte er sich im Heat einfach nicht top, so dass ihn Philippe vorsichtshalber gestrichen hat. Heute lief alles nach Plan, der da lautete, Hatchet Man die Führungsarbeit zu überlassen und dahinter auf die passende Gelegenheit zu warten. Das hat perfekt geklappt - Pech nur für Philippe, dass seine anderen beiden Aspiranten im entscheidenden Moment ausfielen, was wiederum mein Glück war“, resümierte Nivard.
Prix Phaëton (Gruppe II nat., vierj. Hengste)
2700m Bänderstart o.Z., 100.000 Euro
1. Hohneck 12,2 Franck Nivard 32
4j.schwbr. Hengst von Royal Dream a.d. Carança von Ready Cash
Be / Tr: Philippe Allaire; Zü: Jean-Pierre Guay
2. Hermès Pat 12,2 Gabriele Gelormini 85
3. Hokkaido Jiel 12,3 Pierre-Yves Verva 110
4. Hussard du Landret 12,4 Benoît Robin 420
5. Hooker Berry 12,7 Anthony Barrier 450
6. Hidden Texas 13,8 Gwenn Junod 1030
Howdy Partner 4.dai Adrien Lamy 310
Hyacintho Bello dis.r. Alexandre Abrivard 530
Hades de Vandel dis.r. Robin Bakker 210
Hatchet Man dis.r. David Thomain 38
Helgafell dis.r. Eric Raffin 40
Sieg: 57; Richter: Kampf Hals - Kopf - (1) - 1 - 4 - 16 Längen; 11 liefen
Zw-Zeiten: 13,4/1200m - 12,9/1700m - 12,6/2200m
Wert: 45.000 - 25.000 - 14.000 - 8.000 - 5.000 - 2.000 (- 1.000) Euro
Video: https://www.letrot.com/fr/replay-courses/2021-05-28/7500/3
Millimeter-Anflug der „Schwalbe“
Für nicht viel weniger Drama sorgten im Prix Paul Leguerney die Demoiselles der Generation „H“, obwohl die vier Reichsten und am Toto Meistgehandelten die ersten vier Plätze unter sich ausfochten, die Favoritin die Nase am Ende vorn hatte und Héliade du Goutier, als einzige von ihrem Übungsleiter Sébastien Guarato mit einem grünen Smiley versehen, der besagt, alle Ampeln stünden auf Sieg, den Ehrenplatz ergatterte.
Dafür musste der Zielrichter aber mit der Lupe hinschauen, die im Zeitalter des digital aufgearbeiteten Zielfotos die Vergrößerungstaste ist. Er hätte auch auf „totes Rennen“ entscheiden können wie kurzfristig und inoffiziell sogar angezeigt, denn Hirondelle Sibey rettete sich nur um Millimeter gegen die unerschrockene Herausforderin, die erst zum zweiten Mal auf diesem Niveau antrat und zweifellos ein Pferd mit verheißungsvoller Zukunft ist.
Von Beginn an spielten die Reichen und Schönen die erste Geige. Nur für 400 Meter durfte sich Heidi Loulou auf dem Platz an der Sonne räkeln. Dann wurde sie von Héliade du Goutier abgelöst, der noch auf der Tribünengeraden die mal wieder Franck Nivard anvertraute Havanaise das Kommando entriss. An Position drei hatte sich Hanna des Molles an die Innenkante gequetscht, während Riesenaußenseiterin Hermine Girl der Part der äußeren Windbrecherin anheimfiel. Hinter der lag Hirondelle Sibey auf der Lauer.
Als es bergauf noch immer sehr bummelig zuging, fasste sich Eric Raffin ein Herz und gab der Fuchsstute die Sporen. Im Nu umflankte die „Schwalbe“ ihr Zugpferd und flog gleich weiter an die Spitze. Offensichtlich hatte Nivard mit der ständig auf Gruppe-Niveau tanzenden, aber höchst selten siegenden Havanaise eingangs des Schlussbogens „noch viel Pferd in der Hand“. Als Héliade du Goutier und Hanna des Molles anrückten, dirigierte er die Ricimer-Tochter in Spur zwei - vermutlich der Schachzug, der letztlich gegen Héliade entscheiden sollte.
Der derzeit in prächtiger Form agierende Gabriele Gelormini musste mit ihr erst um Havanaise herum, bis er sich Hirondelle Sibey zur Brust nehmen konnte. Hinter der finishte Raffin, als ginge es bereits jetzt um den Critérium-Titel - und hatte das Glück des Tüchtigen und Mutigen, dass sich Jean-Michel Baudouins derzeitiges Aushängeschild mit dem kürzest möglichen Vorteil zum neunten Mal, davon siebenmal in der Kategorie II, als Klassenbeste ins Ziel raufte und ihre Vormachtstellung im „weiblichen“ Jahrgang behauptete: 459.100 Euro prangen auf ihrem Sparbuch, wofür sie 24 Versuche benötigt hat. Für Platz drei war die geschonte Hanna des Molles „streng nach Toto“ stärker als Havanaise; als Fünfte komplettierte Happy Story den Favoritenreigen.
Prix Paul Leguerney (Gruppe II nat., vierj. Stuten)
2700m Bänderstart o.Z., 100.000 Euro
1. Hirondelle Sibey 12,8 Eric Raffin 22
4j. Fuchsstute von Gazouillis a.d. Célina du Châtelet von So Lovely Girl
Be / Zü: Ecurie Le Rivage; Tr: Jean-Michel Baudouin
2. Héliade du Goutier 12,8 Gabriele Gelormini 50
3. Hanna des Molles 12,9 Alexandre Abrivard 35
4. Havanaise 13,0 Franck Nivard 140
5. Happy Story 13,1 Jean-Philippe Dubois 170
6. Hopeness 13,2 Bastien Michardière 1390
7. Harley de Laumac 13,2 Franck Anne 480
8. Haziella d’Amour 13,4 Léo Abrivard 330
9. Highness Quick 13,4 David Thomain 560
10. Heidi Loulou 13,5 David Békaert 380
11. Himalaya Cut 14,3 Maxime Bézier 1400
12. Hora Bot Eur Moël 14,5 Laurent-Guy Richard 1820
13. Hannah 15,0 Jean-François Senet 920
14. Hermine Girl 15,3 Christophe Lebissonnais 1830
Sieg: 57; Richter: Kampf k.Kopf - 1½ - 1 - 2 - Hals - ¾ Länge; 14 liefen
Zw-Zeiten: 15,0/1200m - 13,7/1700m - 13,4/2200m
Wert: 45.000 - 25.000 - 14.000 - 8.000 - 5.000 - 2.000 - 1.000 Euro
Video: https://www.letrot.com/fr/replay-courses/2021-05-28/7500/4