Jägersro, Dienstag, 7. Dezember 2021. Vom Autoverkäufer zum Kult-Trainer - diesen nicht alltäglichen Lebensweg ist Bo William Takter gegangen, eine der schillerndsten Figuren des schwedischen Trabrennsports der 1970er und 1980er Jahre. Am Dienstagvormittag um 10 Uhr ist „Bosse“ im Kreise der Familie im Alter von 84 Jahren friedlich und ruhig eingeschlafen, wie sein älterer Sohn Johnny über Facebook mitteilte.
In den 1960er Jahren fasste der am 21. Mai 1937 geborene „Bo W“ auf seiner Heimatbahn Mantorp zunächst als Amateur-Trainer neben seinem Job als Autohändler allmählich Fuß in der Trabrennszene und zog Ende der 1970er Jahre weiter Richtung Süden nach Skåne (Schonen). Fortan wurde die Derby-Bahn in Jägersro seine sportliche Heimat. Er war einer der Pioniere des Barfuß-Laufens der Pferde, was zum Teil derart frappierende Erfolge zeitigte, dass der schwedische Traber-Verband zeitweise sogar ein Verbot erwog, Pferde ohne „Schuhe“ starten zu lassen.
Aufgrund seiner damals ungewöhnlichen Trainingsmethoden und Basteleien an Zaum-, Schleifzeug und Anspannung erarbeitete sich der Show-Mann - keiner konnte Siegerehrungen so schön mit dem Publikum inszenieren und genießen wie er, der dabei zugleich volkstümlich und als perfekter Gentleman auftrat - den Ruf, müde, abgeschriebene Pferde wieder munter zu machen. So E.O.Brunn, mit dem er 1983 in Weltrekordzeit den Copenhagen Cup in Charlottenlund gewann, so Micko Fripe, den er im gleichen Jahr binnen weniger Wochen vom ungenießbaren, oft im Galopp ausfallenden Burschen zum Derby-Sieger formte. 1983 wurde er wie 1981 Fahrerchampion von Jägersro.
Auch dem hitzigen Matiné hatten eher Wenige zugetraut, dass er mal Stammgast bei Nordeuropas hochkarätigen Sprintprüfungen und 1985 das Hugo Åbergs Memorial - mit Bo Williams Sohn Johnny - gewinnen würde. Die rassige Nealy Lobell nahm unter seiner Regie, fast immer von Johnny gesteuert, an fünf Elitloppet-Finals teil - bis heute Rekord.
Ein weiteres Pferd, das international für Furore sorgte, war die Norwegerin Victoria S. Bald wurde es ihm in Skandinavien zu klein - und er zog, seine Trainieranstalt bei seinen Söhnen Johnny (geboren 1958) und Jimmy in guten Händen wissend, weiter nach Norddeutschland, wo er 1984 eine Zweigstelle eröffnete. Der 1985 zur Welt gekommene Native-Starlight-Sohn Juis, Hipp Hurra, Pretty Countess (Gold-Pokal-Siegerin 1986) waren seine Erfolgspferde jener Zeit.
Seine Karriere nahm ein jähes Ende, als er am 31. Oktober 1985 auf der Treppe eines Malmöer Restaurants unglücklich stürzte. 25 Tage lag er wegen der erlittenen Kopfverletzungen im Koma, 18 davon schwebte er zwischen Leben und Tod. Die Folgen waren massive Sprach-, Gedächtnis- und Koordinationsstörungen; ein Jahr saß er im Rollstuhl, lernte mühsam wieder gehen. Zeitweise lebte er in Berlin und begann bei Rolf Hafvenström erneut die Arbeit mit seinen geliebten Pferden, gewann in Schweden wie in Deutschland einige wenige Rennen, erreichte jedoch nicht ansatzweise den Status der Glanztage vor seinem Unfall.
Sein ganzer Stolz waren fortan seine Söhne: Der in den 1990er Jahren in die USA übergesiedelte Jimmy (geboren 1960) formte dort mit Moni Maker das zu ihrer Zeit beste Trabrennpferd der Welt, gewann unzählige Zucht- und Standardrennen, darunter als Trainer allein viermal das Hambletonian (Malabar Man, Muscle Massive, Trixton (auch als Fahrer), Pinkman), achtmal die Oaks, war achtmal Zweiter der nordamerikanischen Trainer nach Gewinnsumme.
Ende der Saison 2018 hat er den Staffelstab an seine Tochter Nancy, Bo Williams Enkelin, weitergegeben, die gleichfalls von Erfolg zu Erfolg eilt. Johnny, der seine Rennfahrerlaufbahn immer wieder wegen Depressionen hat unterbrechen müssen, hat sich in Schweden mit über 3.000 Siegen als einer der beliebtesten, erfolgreichsten und - auch so etwas gibt’s jenseits der Ostsee - elegantester Trabrennfahrer einen Namen gemacht.
Der ebenfalls in Jägersro ansässige Thomas Uhrberg beschreibt ihn so: „Bo William war nicht der erste, der die Pferde barfuß fuhr, aber er war der erste, der das in sein Trainingssystem eingebaut und bei vielen Pferden früher als die anderen versucht hat. Wenn es klappte - und es klappte oft -, konnten seine Pferde ein viel höheres Tempo gehen, als wir es gewohnt waren. Ich war damals, in seiner Glanzzeit, noch ein Greenhorn (Uhrberg ist 1961 geboren/Anm.d.Red.), aber er war immer bereit, mit uns Jüngeren zu sprechen - nicht nur über Pferde, sondern über alles, was mit dem Trabrennsport zusammenhängt.“
„Papa war ein ganz besonderer Mensch. Es wird hier auf der Erde eine große Leere geben, doch der Himmel wird einen bunten Stern bekommen“, schließt Johnny seine Nachricht von Bo Williams Tod auf Facebook.