Vincennes, Sonntag, 27. Februar 2022. Sie lief so völlig anders als im Vorjahr, die längste Prüfung, die Vincennes den „Internationalen“ zu bieten hat, und hätte dennoch auf den ersten beiden Plätzen fast das identische Ergebnis gezeitigt.
Hatte 2021 Etonnant den immer wieder umgemodelten, seit einigen Jahren aus lediglich einem Band gestarteten 4.150-Meter-Marathon des Prix de Paris (in früheren Zeiten gab es Zulagen für die Gewinner des Prix d’Amérique und des Prix de France) als letzten Lauf der etwas sperrig titulierten Prix Amérique Races Zéturf Séries in einem echten Langweiler, bei dem er fast vom Start weg das sehr mäßige Tempo vorgegeben hatte, völlig unerwartet für 602:10 an seine Fahne geheftet vor einem Diable de Vauvert, der dank der nachträglichen Disqualifikation der Flamme du Goutier zum Ehrenplatz gekommen war, so drehte der „Teufel“ den Spieß dank eines höllischen Endspurts auf den letzten Metern zu seinen Gunsten um in einem Match, das überaus abwechslungsreich war und durch permanente Führungswechsel manch einem die zwischenzeitlich perfekte Ausgangslage verhagelte.
Krasseste Opfer dieses unter der strahlenden Frühlingssonne hoch interessanten Bäumchen-wechsle-dich-Spiels waren Ampia Mede SM, die kometengleiche Aufsteigerin aus Italien, und Davidson du Pont, die zwischendrin mal kurz die Spitze inne hatten, dann jedoch gründlich nach hinten verschoben wurden. Obwohl es über etwas mehr als „zwei Runden rum“ auf der Grande Piste ging, hatte es ein Quartett zu Beginn ganz besonders eilig: Der Titelverteidiger spritzte vor Gu D’Héripré mit Schmackes ins Kommando, außen war gleich Monté-Spezialist Freeman de Houëlle dabei, der sein Mütchen jedoch nicht an Etonnant zu kühlen gedachte, sondern an dritter Innenposition vor Falcao de Laurma und Fakir du Lorault entschwand.
Im ersten Bogen musste Galius vor Chica de Joudes die Nase in den Wind stecken, verharrte dabei im vorderen Mittelfeld und lockte, als es das erste Mal bergauf ging, Ampia Mede SM und Davidson du Pont aus der Reserve. Der Amérique-Triumphator übernahm vor Erreichen des zweiten Bogens die Regie, schwang jedoch, als es wieder an der Startstelle vorbeiging, schon nicht mehr das Zepter.
Es war die erstmals auf solch einer Distanz geprüfte Ampia Mede SM, die es auf Zielschildhöhe an die drückende Chica de Joudes weiterreichte. Und als kurz darauf erneut Etonnant, für den zweiten Gipfelsturm endlich Galius den Takt bestimmte, wurde die Lage für Ampia Mede SM, Davidson du Pont „und Folgende“ immer brenzliger, weil außen Décoloration vor Diable de Vauvert und Flamme du Goutier auf den Plan trat und die Bude zunagelte.
Wie im „Amérique“ versuchte es Galius, der seit dem letzten Januar-Sonntag nicht mehr auf dem Rennplatz zu sehen gewesen war, sondern am Atlantikstrand frische Kräfte getankt hatte, aus der Schlusskurve mit der Flucht. Der überrumpelte Etonnant verlor zwei, drei Längen, doch so leicht ließ sich Anthony Barrier nicht düpieren. Wieder hielt Sévérine Raimonds Fuchs nicht ganz durch. Mit der zweiten Luft holte Etonnant mächtig Schwung und segelte dem zweiten Titel entgegen - bis Diable de Vauvert richtig Tritt fasste.
Obwohl er weit nach außen schrägte, langte es diesmal für den von Tony Le Beller für seinen drei Jahre jüngeren Bruder Bertrand teuflisch schnell gemachten Schwarzbraunen, der Etonnant um einen „Hals“ abfing. Platz vier ging eine Länge hinter Galius an Ampia Mede SM, die fast geradeaus durchziehen konnte, weil ihre nach außen driftende „Vorläuferin“ Chica de Joudes brav den Weg freimachte. Dicht dazu lief vom Ende des Feldes Fric du Chêne und fing Davidson du Pont ab, der mit dieser Marathon-Aufgabe einfach nichts anfangen kann: 2020 und 2021 war er mit Jean-Michel Bazire an Galoppaden gescheitert; mit dem Filius durfte er sich wenigstens die kleinste Prämie einstecken, auch weil Flamme du Goutier an der letzten Ecke alle Chancen auf Platz drei oder vier im Galopp versiebte.
Die zahlreichen Staffelübergaben drückten sich trotz der taktischen Prägung in der Siegzeit aus: Mit 1:13,3 kippte Diable de Vauvert den sieben Jahre alten Rennrekord Up and Quicks um 0,2 Sekunden.
Völlig überwältigt war Bertrand Le Beller; der 48-jährige kann erstmals klassische Lorbeeren an seine Stalltür nageln: „Genau auf dieses Match war in disem Winter alles ausgerichtet. Es hat perfekt geklappt. Dieser kleine Kämpfer macht unser gesamtes Team sehr, sehr, sehr, sehr glücklich. Ich bin völlig gerührt.“ Franck Lemuet, Züchter und Besitzer des Prince-d’Espace-Sohnes, küsste seinen Zögling: „Der erste Traum, der sich für mich erfüllt hat, war die Teilnahme an den Prix d’Amérique 2021 und 2022; der zweite, mal ein Rennen der obersten Kategorie zu gewinnen, wurde heute wahr. Es ist unglaublich!“
„Endlich mein erster Gruppe-I-Erfolg in Frankreich“, atmete Tony Le Beller erleichtert durch, „und dann auch noch für meinen kleinen Bruder. Bertrand hat das Pferd auf die Sekunde topfit gehabt, Diable hat sich prächtig reingehängt und alles gegeben auf einem Parcours, der für uns mit seinen vielen Verschiebungen und Führungswechseln perfekt war. Ich konnte ihm alles fürs Finish aufsparen.“ Der für solch riesige Emotionen sorgende „Teufel“ geht mit diesem 14. Karriere-Sieg aus 70 Ausfahrten mit 965.690 Euro stramm auf die runde Million zu.
„Ich bin mit dem Ehrenplatz vollauf zufrieden, auch wenn ich natürlich von außen mitgedrückt und mitgeschrien habe, als es auf einmal nach ‚Sieg‘ roch. Im Amérique‘ lief Vieles gegen uns, im ‚France‘ war er durch die zweite Startreihe entscheidend gehandicapt. Heute hat Etonnant nicht zum ersten Mal gezeigt, welch ein Klassepferd er ist“, war Richard Westerink total happy über den besten Nachkommen seines Supertrabers Timoko, der nun bei 1.153.500 Euro angelangt ist.
Prix de Paris (Gruppe I int., vier- bis elfj. Hengste und Stuten)
4150m Bänderstart o.Z., 400.000 Euro
1. Diable de Vauvert 13,3 Tony Le Beller 104
9j.schwbr. Hengst von Prince d‘Espace a.d. Pop Star von First de Retz
Be: Ecurie de Vauvert (Franck Lemuet); Zü: Franck Lemuet; Tr: Bertrand Le Beller
2. Etonnant 13,3 Anthony Barrier 76
3. Galius 13,5 Yoann Lebourgeois 39
4. Ampia Mede SM 13,5 Franck Nivard 24
5. Chica de Joudes 13,6 Alain Laurent 500
6. Fric du Chêne 13,6 Paul-Philippe Ploquin 1070
7. Davidson du Pont 13,7 Nicolas Bazire 130
8. Gu d‘Héripré 13,7 Jean-Philippe Monclin 540
9. Fakir du Lorault 13,8 François Lecanu 290
10. Calle Crown 13,9 Pierre Vercruysse 670
11. Freeman de Houëlle 15,0 Eric Raffin 340
Décoloration dis.r. Gabriele Gelormini 470
Falcao de Laurma dis.r. Clément Duvaldestin 1300
Flamme du Goutier dis.r. Théo Duvaldestin 160
Sieg: 104; Richter: Kampf Hals - 3 - 1¼ - ½ - 1½ - Hals - ¾ - 2 Längen; 14 liefen
Zw-Zeiten: 14,6/2650m - 14,1/3150m - 13,6/3650m
Wert: 180.000 - 100.000 - 56.000 - 32.000 - 20.000 - 8.000 - 4.000 Euro
Video: https://www.letrot.com/fr/replay-courses/2022-02-27/7500/4
Endlich die Bigeons
Im Prix de la Mayenne für fünf- und sechsjährige europäische Traber, die keine 285.000 Euro gewonnen hatten, schlug endlich die Stunde von Vater und Sohn Bigeon, die ähnlich wie Jean-Michel und Nicolas Bazire seit je her alles ins Feuer des Vincenner Winter-Meetings werfen und dessen spezielle Tabelle bei der Endabrechnung nach Siegen auch schon mal angeführt haben. Das aktuelle Treffen war mit einigen Siegen und vielen besseren Platzierungen nicht schlecht für die Weiß-Blauen gelaufen, die aber in den Gruppe-Prüfungen so gut wie unsichtbar geblieben waren.
Kurz vor Ultimo - am kommenden Samstag ist mit einem Feuerwerk von vier Gruppe-Rennen für drei Wochen „fini“ auf dem Plateau de Gravelle - heimsten sie doch noch eine ehrenwerte Schärpe ein dank ihres Aushängeschildes Goéland d’Haufor, der beim siebenten Meeting-Auftritt zum vierten Mal als Bester anschlug und in dieser Spanne mit 112.800 Euro zum Aktivposten des Stalles wurde. Fürs flotte Tempo zeichnete mit dem ersten Meter Philippe Allaires Hatchet Man vor Harvest de Bulière und Usain Töll verantwortlich und wurde von Horace du Goutier vor Norwegens 2020er Derby-Sieger Iggy B.R., Gaspar de Brion und Bolero Gar begleitet.
Bergauf schleppte die zu Beginn der Zielgeraden ausfallende Balsamine Font den Bigeon-Schützling in dritter Spur voran, der immer stärker wurde. Charles-Julien Bigeon konnte sich genüsslich die Hände reiben, denn Hatchet Man und Horace du Goutier opferten bei ihrer gnadenlosen Privatfehde viele Körner. Wuchtig raufte sich Goéland d’Haufor an den Kampfhähnen vorbei und hielt eine halbe Länge Vorsprung vor dem spät auf Hochtouren laufenden Gaspar de Brion eisern fest.
Seiner ausgezeichneten Winterform treu blieb der „internationale“ Usain Töll: In Schweden vom US-amerikanischen Halb-Pacer Googoo Gaagaa gezüchtet, vom in Italien ansässigen Dänen Erik Bondo für die italienische Scuderia Santese trainiert, wurstelte sich der Braune zwischen Hatchet Man und Horace du Goutier durch zu Platz drei und landete damit auch beim sechsten Auftritt „en France“ auf dem Treppchen: Je zwei erste, zweite und dritte Ränge stehen nun in seiner Vincennes-Vita.
Nie etwas zu sehen war von der früh im Hintertreffen verschwundenen Aura SL, der Jean-Michel Bazire fast schon gebetsmühlenartig bescheinigt, besser zu sein als das, was in ihrem sehr durchwachsenen Fahrtenbuch steht.
„Der Wallach hat prächtig abgeliefert - so, wie wir das von ihm erwarten durften“, kommentierte Bigeon junior (27) und verriet die kommende Mraschrichtung: „Mit seiner Gewinnsumme (240.260 Euro / Anm.d.Red.) ist er unser Pferd für den bald beginnenden Grand National du Trot.“
Prix de la Mayenne (Gruppe III int., Fünf- & Sechsj., keine 285.000 Euro; in den letzten 12 Monaten nicht unter den ersten Drei eines Gruppe-I-Rennens)
2700m Bänderstart o.Z., 90.000 Euro
1. Goéland d‘Haufor 11,9 Charles-Julien Bigeon 145
6j.br. Wallach von Voltigeur du Myrt a.d. Santa Haufor von Kaisy Dream
Be / Zü: Ecurie Bigeon; Tr: Christian Bigeon
2. Gaspar de Brion 11,9 Matthieu Abrivard 46
3. Usain Töll 12,0 Gabriele Gelormini 52
4. Hatchet Man 12,1 David Thomain 37
5. Horace du Goutier 12,2 Hugues Monthulé 91
6. Harvest de Bulière 12,4 Alexis Collette 130
7. Bolero Gar 12,5 Franck Nivard 470
8. Gipson Creek 13,1 Alexandre Abrivard 460
9. Aura SL 13,4 Jean-Michel Bazire 130
10. Iggy B.R. 14,6 Björn Goop 170
11. Globalizer 16,5 Franck Ouvrie 720
12. Général du Parc 20,0 Maxime Tijou 1960
Amour del Ronco dis.r. Mario Minopoli jr 1120
Balsamine Font dis.r. Filippo Rocca 330
Al Capone Stecca dis.r. Jean-Philippe Monclin 720
Sieg: 145; Richter: Kampf ½ - 1¼ - 2 - 1½ - 2 - 1 - 7 Längen; 15 liefen
Zw-Zeiten: 12,9/1200m - 11,5/1700m - 11,6/2200m
Wert: 40.500 - 22.500 - 12.600 - 7.200 - 4.500 - 1.800 - 900 Euro
Video: https://www.letrot.com/fr/replay-courses/2022-02-27/7500/7