Hermann Kraum wird 95
22. August 2025

Während alle trabersportlich Interessierten an diesem Wochenende zu den Finalläufen des alljährlichen Jahreshöhepunkts um das Deutsche Traber-Derby nach Berlin blicken, feiert im emsländischen Meppen am Freitag einer seinen 95. Geburtstag, der bis dato einen Rekord in der 130-jährigen Geschichte dieses „Rennen der Rennen“ innehat:

Hermann Kraum.

1958, als das Deutsche Traber-Derby noch im Juli ausgetragen wurde, gewann der Westfale, der im mittlerweile der Stadt Herten angegliederten Westerholt aufgewachsenen ist und dort auf dem Hof seines Onkels Franz Linnemann von Kindesbeinen Berührung mit Pferden hatte, den alljährlichen Jahreshöhepunkt des deutschen Trabrennsports als Trainer und Fahrer des Außenseiters Marty im Alter von gerade einmal 27 Jahren und damit als jüngster deutscher Fahrer der Nachkriegsgeschichte.

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Hermann Kraum mit Marty beim Derby-Triumph 1958

Noch heute erinnert sich der Jubilar, dessen Lebensmittelpunkt und Wirkungsstätte über Jahrzehnte die Trabrennbahn auf Recklinghausens Hillerheide war, an dieses Ereignis, als wäre es gestern gewesen, und erzählt: „Marty war im Jährlingsalter auf der Wiese in eine Wassertränke gefallen und hatte seither stets gehörigen Respekt vor allem, was ihm in seinem Sichtfeld nicht geheuer war. Noch eine gute Stunde vor dem Start, als ich ihm erstmals die Gegebenheiten der Bahn unter Renntempo vertraut machen wollte, sprang er mir trotz des Einsatzes von gutgedachten Hilfsmitteln an der Anspannung, die wir zum Rennen in Ermangelung weiterer Alternativen dann auch wegließen, mit einem gehörigen Satz über den Schatten jedes Lichtmasten.

Unsere Hoffnungen sanken daher mit jedem Meter des Aufwärmens. Pünktlich zum Starts des Rennens aber zogen kurzzeitig Wolken auf, Marty war danach in keiner Weise abgelenkt, konnte so sein ganzes Können abrufen und ließ sich von der Spitze aus nicht beirren. Als beim Eindrehen zur Siegerehrung die Sonne wieder herauskam und mir der Hengst auf dem Weg zur nachfolgenden Zeremonie schon wieder vor beinahe jedem Schatten scheute, da wurde mir eindrucksvoll vor Augen geführt, dass zu jedem großen Erfolg neben Können eben auch ein gerütteltes Maß Glück gehört.“

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Hermann Kraums letzter Sieg im November 2003 mit Cromme in Recklinghausen

Hermann Kraum wurde jüngst vom Vorstand des Förderverein der Hall of Fame des deutschen Trabrennsports zur Aufnahme in den illustren Kreis der „Who’s who“ seiner und damit der Sportart vorgeschlagen, die noch bis vor der Jahrtausendwende die alljährlich zweithöchste Besucherzahl der ausgetragenen Sportveranstaltungen nach dem Erstliga- und noch vor dem Zweitliga-Fußball aufwies.

Im Empfehlungsschreiben der Kommission heißt es: Wir sind überzeugt, dass es Persönlichkeiten gibt, die durch ihr Lebenswerk unvergessen bleiben – Hermann Kraum ist eine solche Persönlichkeit.

Geboren 1930 in Westerholt (Westfalen), stand Hermann Kraum über fünf Jahrzehnte hinweg mit im Mittelpunkt des deutschen Trabrennsports. Bereits mit 15 Jahren gewann er sein erstes Rennen in Drensteinfurt mit dem Hengst Rufi. 1948 folgten die ersten Zuchtrennsiege mit Heider und Scilla, dokumentiert beim damaligen Zentralverband für Traber-Zucht und-Rennen in der britischen Zone.

1958 krönte er seine frühe Laufbahn mit dem sensationellen Sieg im Deutschen Traber-Derby mit dem Hengst Marty vor der Spitzenstute Baden-Baden – als bis heute jüngster Trainer und Fahrer des deutschen Trabrennsports!

Über 3.200 Siege als Berufsfahrer und weitere 300 als erfolgreicher Trainer sprechen für sich und sichern ihm bis heute einen Platz unter den Top 25 seiner Zunft. Doch Hermann Kraum prägte den Sport nicht nur auf der Rennbahn, sondern auch infrastrukturell:

Er etablierte in dessen Anfängen als zweiter Vorsitzender den westdeutschen Traber-Trainer-Verein und legte damit u.a. den Grundstein für eine Jahrzehnte währende Versorgung unverschuldet in Not geratener Vertreter seines Berufsstandes. Mit dem Aufbau eines großzügigen und vorbildlich gepflegten Trainingsstalls auf der Trabrennbahn in Recklinghausen, wo er lange Jahre auch die Geschicke des dortigen Rennvereins im Vorstand mitlenkte, setzte er ebenso Zeichen wie mit der Gründung eines modernen Pferdetransportunternehmens in den 1970er Jahren sowie der Errichtung eines Gestüts in Marl-Sinsen vor den Toren des Ruhrgebiets, wo bis zu 60 Zuchtpferde betreut wurden.

Neben Rennpferden aus dem eigenen Trainingsbetrieb fuhr Hermann Kraum für bedeutende Privatställe als Catchdriver und betreute viele Erfolgspferde, darunter Delingsdorferin, Pigh Life II, Croupier, Escala, Gutenberg, Flying Mc Elwin, Loreley, Felsenbecker, Fridioda, Felos (mit dem er den lange Jahre Bestand haltenden Rekord von 29 Siegen in Folge aufstellte), Goldstern, Mainzelmann, Peramus, Giant, Ire, Cento, Corsio, Biber, Lord Iran, Menander, Stevie Wonder und - nicht zu vergessen - den Jahrgangsprimus Xoscar.

Als einer seiner größten internationalen Erfolge gilt einer in Belgien, wo Kraum im Brüsseler Osten vor mehr als 50 Jahren mit Noyau den traditionsreichen Winter-Preis von Sterrebeek am Veilchendienstag gewann.

Zeitlebens waren seine Rennfarben gelb/grün - eine Huldigung an die Stadtfarben seiner Jahrzehnte langen Heimatstadt Recklinghausen.

Doch Hermann Kraums Fußstapfen sind nicht nur sportlich herausragend. Er war stets ein stiller, zurückhaltender Mensch, geprägt von Bescheidenheit, echter Freundschaft und Hingabe für seine Hobbys.

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Hermann und seine „Re“ – glückliche Gnadenhochzeit nach 70 Jahren

Mit seiner Ehefrau Renate und den Familien der gemeinsamen Kinder Verena und Dennis, in dessen DNA er den Trabrennsport ebenfalls tief verwoben hat, sowie der darauffolgenden Generation feiert der Jubilar an diesem Wochenende unweit der niederländischen Grenze, wo das Paar in der Meppener Neustadt vor knapp 20 Jahren eine zweite Heimat fand, nicht nur seinen 95. Geburtstag.

Denn kürzlich konnten Hermann und Renate Kraum auch ihren 70. Hochzeitstag begehen. Das hierzulande als Gnadenhochzeit bezeichnete Jubiläum, zu dem sogar Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier persönlich gratulierte, sei das Glück und die Lebensleistung, die alle sportlichen Erfolge überstrahlt - so das Ehepaar gleichlautend.

Die Redaktion von Mein-Trabrennsport schließt sich den zahlreichen Gratulanten gerne an.

Kraum mit Neville

Die Kraums bei einem Besuch im Waltroper Gestüt Meßmann mit dem jüngsten Zögling der Familie Kraum, Neville (a.d. Hannah Hazelaar)

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