Ein Nachruf von Hermann Gallhoff
Es werden mehrere zigtausend Kilometer gewesen sein, die Heinrich Riewe allein zwischen seinem Heimatort Ahsen und der Trabrennbahn Recklinghausen zurückgelegt haben wird.
Von Anfang der 80er Jahre bis zum finalen Renntag auf der Hillerheide vor knapp zwei Dekaden dürfte es kaum eine Veranstaltung gegeben haben, bei der er nicht aktiv dabei war - meist als Besitzer in eigenen Farben, aber auch als engagierter Betreuer der ihm anvertrauten Pferde.
Nun ist der Mann mit dem Schnäuzer, dem als bisweilen kautzigen Tüftler im Kosmos der Traberwelt schon früh eine hohe Wertschätzung galt, nach schwerer Krankheit im Alter von 84 Jahren verstorben.
Der kernige Westfale war quasi die westdeutsche Antwort auf Monty Roberts, der weltweit als der Pferdeflüsterer einen außergewöhnlichen Bekanntheitsgrad im letzten Jahrhundert erlangte hatte.
Heinrich Riewe konnte ein Pferd „lesen“ wie kaum ein anderer und hatte dafür seine eigene Gebrauchsanweisung. Auf seinem beschaulichen Anwesen in der Nähe von Datteln startete er zu Beginn der 80er Jahre des letzten Jahrtausends mit Unterstützung von Heiko und Jens-Holger Schwarma eine überaus erfolgreiche Kooperation.
Pferde, die andere Trainer oder Besitzer schon längst aufgegeben hatten, formte er mit seinen eigenen, teilweise unkonventionellen Methoden zu Siegern.
Vierbeiner wie Montegrotto, Turandot, Luxor oder der großartige Inkognito, die allesamt aus der Zeit der Zusammenarbeit mit Willi Rode entstammen, mögen hier nur stellvertretend für die unendlich vielen Rekonvaleszenten stehen, die er in teilweise aufopfernder Kleinarbeit und mit seinen Methoden auf den Waldwegen der Haard wieder auf den Weg gebracht hat.
Nachdem er sich mit der Schließung der Trabrennbahn Recklinghausen schon ganz aus dem Sport zurückgezogen hatte, juckte es ihn noch einmal in den Fingern, als ihm Freund Hans-Ulrich Bornmann die Stute Kiss Me Bo, die nach einem Sehnenschaden die Rennkarriere eigentlich schon beendet hatte, zum Geschenk machte, damit es für ihn noch ein wenig Stallgeruch geben und er sich statt auf dem Fahrradsattel zumindest auch wieder auf dem Pferderücken fortbewegen sollte.
Die Art und Weise, wie sich die hübsche Fuchsstute auf der Wiese zeigte, entflammte in Heinrich Riewe noch einmal alten Ehrgeiz. Dank seines Könnens und seiner Akribie entwickelte sich die Quick-Wood-Tochter zu einem außergewöhnlichen Rennpferd, das durch seine Treue und Einsatzbereitschaft auf allen Bahnen der Republik für Furore gesorgt und ihm im Herbst seines Lebens noch einmal viel Anerkennung und großes Glück beschert hat.
Die beigefügten Bilder, die sie mit Jouni Nummi beim Aufwärmen zu ihrem Ehrenplatz im 2022er Hauptrennen der Veranstaltung in Bedburg-Hau, bei ihrem Speedrace-Sieg im Dezember 2023 mit Tim Schwarma in Mönchengladbach sowie ihrem als Dritte beendeten späten Debüt unter dem Rennsattel mit Hannah Schmitz vor gut einem Jahr in Drensteinfurt zeigen, belegen nur allzu gut zwei Charakterzüge des Mannes, dessen Heimat über Jahrzehnte fußläufig des Wesel-Datteln-Kanals lag.
Er hat sich nie in den Vordergrund geschoben, sondern dies stattdessen lieber denen überlassen, die mit seinen Schützlingen erfolgreich waren. Und er schlug mit seinen vierbeinigen Partnern ungeachtet von Bahnbeschaffenheit oder Distanzen überall dort auf, wo Aussicht auf Erfolg bestand.
Heinrich Riewe war ein Mann mit starkem Profil, Charisma und einer gewissen Aura, er war den Menschen zugewandt, nie selbstverliebt oder großspurig. Rampenlicht war nichts für ihn. Sich in die Pferde regelrecht hineinknien, mit ihnen Erfolg haben, das war für den ewigen Cowboy ein Lebenselixier.
Die, die ihm begegnet sind, haben ihn als aufrichtige und liebenswürde Person kennen und schätzen gelernt. Denjenigen, die ihn nicht zu "lesen" vermochten, mag er bisweilen als schroff und speziell vorgekommen sein.
Der Pferdeflüsterer aus Ahsen wird der Traberwelt als eines seiner Unikate unvergessen bleiben. Seinen Angehörigen gilt unsere aufrichtige Anteilnahme.